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Berliner CSD: Sachliche Diskussion um Themen

Nicht wenige, die in den letzten Monaten die Diskussion um das Berliner CSD-Forum besucht haben, waren bei der gestrigen und letzten Veranstaltung bass erstaunt darüber, dass in einer sehr sachlichen Art und Weise über Inhalte diskutiert wurde. Doch dazu später. Nur 60 Forumsmitglieder waren im „wilde Oscar“ anwesend, bei den vorhergehenden Veranstaltungen waren es in der Spitze bis zu 200. Medien waren nicht zu sehen, der Frust über die andauernden Streitigkeiten und die zum Ausdruck gekommene Haltung, wonach dem Vorstand des „Berliner CSD e. V.“ die Community eigentlich egal sei, scheint auf vielen Ebenen riesengroß zu sein. Auch gestern begann der Abend mit Zoff, als danach gefragt wurde, ob es stimmt, dass drei Mitglieder der sogenannten „Transparenzkommission“ diese aus Enttäuschung heraus wieder verlassen hätten. Und, ja, es stimmt, einer davon ist Bruno Gmünder, in den viele Gegner des Vorstands des „Berliner CSD e. V.“ große Hoffnungen gesetzt hatten. Gmünder führte seine Ausführungen in einer ruhigen und sachbezogenen Art und Weise aus, und die Gründe, die er dabei für seinen Ausstieg anführte, scheinen bei näherer Betrachtung von erheblicher Relevanz zu sein. So habe der CSD-Vorstand den Mitgliedern der „Transparenzkommission“ wichtige Unterlagen vorenthalten und hätte sich auch insgesamt wenig kooperativ gezeigt. Ständig habe man auf Zeit gespielt, und so sei insgesamt der Eindruck entstanden, so Gmünder weiter, dass das Gremium von Anbeginn an zu einer Art „Pressestelle“ deklassiert worden sei. Allesamt Vorwürfe, die von den beiden anderen, die die Arbeit in der Kommission genervt quittiert haben, bestätigt wurden. Gleichwohl meldete sich eine andere Quelle, die ungenannt bleiben will, bei uns. Sie bemängelte, die Zeitverzögerung bei der Beantwortung der Fragen liege auch darin begründet, dass Bruno Gmünder und die beiden anderen Abtrünnigen die Sitzungen der Transparenzkommission mit „einem Bombardement von Geschäftsordnungsanträgen lahmgelegt“ hätten, weshalb die Mitglieder dieses Gremiums ihre eigentliche Arbeit wochenlang nicht erfüllen konnten.

CSD-Statement zu Homo-Rechten und gegen Diskriminierung

Gmünder schien gestern mit der Art seines Auftritts den Ton vorgegeben zu haben, denn die Sachlichkeit währte fort, als Petra Nowacki, stellvertretende Bundesvorsitzende der AG Lesben und Schwule (Schwusos) und Mitglied der „Transparenzkommission“ queerpride.de eine klare Antwort darauf gab, wann ein Fragenkatalog dieses Onlinemediums, das dem Vorstand des Berliner CSD e. V. bereits seit 14. Februar 2014 (!) vorliegt (die Fragen wurden am hier am 11. März publiziert), endlich beantwortet wird. Man werde sich zwar nicht mit Fragen beschäftigen, die sich um den Streit „Stonewall versus CSD“ drehen, sehr wohl aber intensiv den Komplex bearbeiten, der sich um Finanzen beziehungsweise um mögliche oder tatsächliche Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der „Publicom! GmbH“ dreht. Zur Erinnerung: CSD-Geschäftsführer Robert Kastl ist auch „Publicom“-Geschäftsführer, was für nicht wenige Forumsmitglieder ein „Geschmäckle“ hat. Auf die konkrete Nachfrage, wann mit Antworten zu rechnen ist, führte Petra Nowacki aus: „Der CSD e. V. wird deinen Fragenkatalog morgen (also am 7. Mai 2014 – die Red.) dem Vorstand vorlegen und zur Beantwortung eine Frist von zwei Wochen setzen.“ Hiernach würden die Antworten von der Kommission geprüft und zeitnah an queerpride.de weitergeleitet. Nach Wochen des Hinhaltens und Taktierens stand da eine Frau, die glaubhaft machte, dass sie an einer Aufklärung wirklich interessiert ist.

Diskussion statt Streitigkeiten

Sowohl die Mitglieder des Forums, als auch der Vorstand, vermieden gestern Streitigkeiten und neue Zerwürfnisse, wie man das bisher kennengelernt beziehungsweise erlitten hat. Dies führte dazu, dass endlich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Fragen möglich werden konnte, die für die LGBT-Community wichtig sind. Vielen Teilnehmern tat das sichtlich gut. Die Nachricht darüber, dass nun auch die Grünen nicht am CSD teilnehmen wollen, wurde mehr oder weniger achselzuckend zur Kenntnis genommen, ein Redner sagte: „Der CSD ist selbst politisch genug!“ Leidige Themen wie „Fußball gucken oder nicht, und wer zahlt das und wer zahlt das nicht?“ blieben gestern im Hintergrund, debattiert wurde dafür über ein Positionspapier, das den CSD 2014 begleiten soll. Die Berliner Aids-Hilfe auf der einen, und Angela Schmerfeld sowie Dirk Siebenbaum auf der anderen Seite, gaben die Themen, die zu diskutieren waren, gelungen vor: Maßnahmen gegen Homo- und Transfeindlichkeit, notwendige rechtliche Schritte, um auch juristisch die Diskriminierung von LGBT-Menschen zu beseitigen, aktive Förderung von Maßnahmen gegen Homophobie, um nur einige wenige Punkte zu benennen. Zu alledem lagen Vorschläge vor, die nunmehr zu einem griffigen Statement zusammengefasst werden (Bericht folgt). Ein Teilnehmer brachte die Stimmung am gestrigen Abend in der Pause mit einem griffigen Satz auf den Punkt: „Heute bin ich wieder stolz darauf, schwul zu sein!“

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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