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Schwule Nazis

Als der Rechtsextremist Michael Kuehnen in den 1980er Jahren durch einen schwulen Freund, dem Franzosen Michel Caignet, als Homosexueller geoutet wurde, und der dies kurz vor seinem Aids-Tod in einer Art Manifest mit dem Titel „Homosexualität und Nationalismus“ damit zu erklären versuchte, Schwule seien schon deshalb die besseren Kämpfer, weil sie ohne Familie unabhängiger und tapferer seien, warfen ihm die Kameraden, die ihm zuvor jahrelang an den Lippen gehangen haben, „dummes Schwulengequatsche“ vor.

Und als der Autor dieses Beitrages in diesem Magazin einmal uncharmant und zugespitzt den Lebensstil von Lesben aufs Korn nahm, wurde ihm von Schwulen „faschistisches Gedankentum“ unterstellt.

In einer solchen Gemengelage, wo noch die letzte Gehirnsynapse ihren Geist aufgibt, muß sich niemand wundern, wenn etwa auf schwulen Neonaziseiten wie „JungSSkinSS“ oder „gaySSbroSS“ den Betreibern gar mit Ermordung gedroht wird.

Eine der fürchterlichsten Gemeinsamkeiten von Schwulen und Nazis ist übrigens ihr Hang zur Selbstverleugnung, mit der immer auch eine innere Zerrissenheit einhergeht.

So versuchte Bernd Althans seine Sexualität von seiner politischen Gesinnung abzukoppeln („Ich war nie ein schwuler Nationalsozialist!“). Andere homosexuelle Nazis bezeichnen sich als „intolerante Schwule“. Sie verhöhnen „Tunten“ als „Nicht-Männer“ und bekennen für sich folgerichtig, sie könnten „mit Tatütata-Huschen überhaupt nichts anfangen.“

Auch Schwule verleugnen ihre Sexualität, indem sie heiraten und Kinder in die Welt setzen, und im schlimmsten Fall funktionieren die Verdrängungsmechanismen dann irgendwann so „gut“, daß sie gar zum schwulen Homophoben mutieren

Bleibt noch, die Frage danach zu klären, was Schwule und Nazis denn eigentlich trennt. Hier ließe sich der konsequent patriarchale und aggressive Ansatz benennen, den Rechte als Grundlage ihres Handelns haben, Schwule indes nicht.

Und das, was Schwule und Nazis in ihrem Tun wohl wesentlich unterscheidet, hat der französische Philosoph Emmanuel Levinas einmal so formuliert: „Man muß bei der Umsetzung seiner Ziele vom schwächsten Menschen ausgehen.“ Schwule tun das zumeist. Nazis niemals. Dies, immerhin, hat dann doch wieder etwas Tröstliches.


Bild: thaddeusjude

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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