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Schwule Nazis

Schwule Nazis. Das ist zuallererst einmal eine unappetitliche, gar abgründige Wortmelange. Nazis haben Schwule den „Rosa Winkel“ ans Jackenrevers geheftet und sie dann in den Konzentrationslagern erniedrigt und ermordet.

Schwule Nazis ein Phänomen?

Schwule Nazis – da wird scheinbar etwas miteinander verwoben, was in den Augen der Schwulen und in den Augen der Nazis nicht zusammengehören darf und kann. Doch ist das wirklich so? Lassen sich Homosexualität und rechtsextreme Weltanschauungen tatsächlich nicht in Einklang bringen? Bei der Suche nach Antworten greift es zu kurz, wenn man dieses Phänomen mit der Sehnsucht von Schwulen nach wahren Männern und richtigen Kerlen heranzieht, die sich etwa in „Arbeitsgemeinschaften maskuliner Gays“ verwirklichen.

Und auch der Versuch von „Folsom“- Veranstaltern, Hakenkreuzbinden, die schwule Männer bei Uniformpartys tragen, als puren Fetisch kleinzureden, der unbedingt von politischen Ideologien abgekoppelt werden müsse, hilft bei der Ursachenforschung nicht wirklich weiter.

Ausgerechnet – Achtung: Klischee! – die linke (!) „tageszeitung“ veröffentlichte Ende Juni einen Meinungsartikel des Menschenrechtsaktivisten Lutz van Dijk, und schon die Überschrift wurde von vielen homosexuellen Leserinnen und Lesern, die sich gerne als „links“ einschätzen, als Zumutung empfunden: „Schwul, lesbisch – rassistisch?“

So unerbittlich wie ein glühendes Messer, das sich seinen Weg in die eisgefrorene Butter bahnt, setzt van Dijk das Skalpell an die Homoszene an und unterstellt ihr „queeren Fundamentalismus“, der ja „immer gefährlich“ sei, „ganz egal ob islamisch, christlich, nationalistisch oder auch feministisch.“ Van Dijk läßt es sich dabei nicht nehmen, an die Feministin Judith Butler zu erinnern, die 2012 den ihr verliehenen Preis für Zivilcourage deshalb ablehnte, weil sie sich von jeglichem Rassismus distanzierte, also auch von dem, der in der queeren Szene herrsche.

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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