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Schwule Nazis

Klischees. Klischees mögen ungerecht und manchmal auch richtig fies sein, und zumeist führen sie quasi automatisch dazu, daß der gesunde Menschenverstand aussetzt. Doch haben Klischees in einer Gesellschaft auch eine einordnende Funktion. Da stehen die Guten. Dort sind die Bösen.

Die Welt kann so richtig herrlich einfach sein. Schwierig aber wird es, wenn das vermeintlich Gute und das Böse seine Abgrenzungen verliert. Wenn das Gute und das Böse also miteinander verschwimmen und Feindbilder ihren Schrecken deshalb zu verlieren drohen, weil sie nicht mehr klar erkennbar sind.

So wurden etwa die Mitarbeiter der Düsseldorfer Aids-Hilfe in den Medien zitiert, sie seinen „fassungslos“ gewesen, als sich herausstellte, daß ihr schwuler Mitarbeiter Carsten S. verhaftet wurde, weil er der rechtsextremen „Zwickauer Terrorzelle“ angehört haben soll. „Fassungslos“ und „schockiert“ gaben sie sich bei Presskonferenzen, weil jener Carsten S. auch noch an der Ermordung von sechs Menschen beteiligt gewesen sein soll.

„Fassungslos“ und „schockiert“ ist der Mensch eben immer nur dann, wenn er etwas nicht begreift und es nicht einordnen und in Bahnen lenken kann oder will. Nazis morden. Schwule Männer doch nicht. Alles andere übersteigt da jegliche Vorstellungskraft.

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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