Die 13 CDU-Bundestagsabgeordneten, die mit ihrer Forderung nach einem Ehegattensplitting für Homos die Sommerpause aufgemischt hatten, erhalten mächtige Unterstützung: Auch die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner (39) spricht sich gegenüber „queerpride“ für eine steuerliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen aus. Frau Klöckner war Parlamentarische Staatssekretärin und hat nach den letzten Wahlen in Rheinland-Pfalz fast den ewigen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) vom Sockel gestoßen. Sie ist Mitglied im höchsten Gremium der CDU, dem Präsidium, und genießt zudem das Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Julia Klöckner fordert ein von der Eheschließung unabhängiges „Familiensplitting“
„Homosexuelle Paare, die in einer Eingetragenen Partnerschaft leben und deshalb auch als Paar Pflichten füreinander übernehmen, kann man logischerweise nicht die andere Seite der Medaille verwehren – die entsprechenden Rechte. Dazu zähle ich (…) die steuerliche Gleichstellung (…)“, so Frau Klöckner im „queerpride“-Interview. Und weiter: „Grundsätzlich bin ich der Meinung, das Ehegattensplitting muß endlich in ein Familiensplitting weiterentwickelt werden“, denn die Welt sei „bunter als vor 50 Jahren“. Ein Adoptionsrecht für Lesben und Schwule, wie es jetzt die familienpolitische Sprecherin der FDP, Miriam Gruß, fordert, geht Frau Klöckner allerdings zu weit.
In 13 Bundesländern gibt es quasi ein Ehegattensplitting für Homos
Neben Frau Klöckner hat sich auch der einflußreiche CDU-Landeschef von Baden-Württemberg, Thomas Strobl (52), hinter die Vorstöße zur steuerlichen Gleichberechtigung der Homo-Ehe gestellt. Frau Klöckner und Strobl wissen, dass bereits in 13 Bundesländern lesbische und schwule Paare auf Wunsch in eine der Steuerklassen eingeteilt werden, die dem Ehegatten-Splitting entspricht. Stobl ist übrigens der Schwiegersohn von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der eine steuerliche Gleichstellung von Homos mit Blick auf die Kosten ablehnt: 30 Millionen Euro. Was Schäuble nicht sagt: Das Ehegattensplitting in seiner bisherigen Form kostet 15 Milliarden Euro.
Der Wille nach Gleichbehandlung von Homopaaren steht im Koalitionsvertrag
Derweil herrscht in der schwarz-gelben Koalition weiterhin Uneinigkeit darüber, wie man in dieser Frage denn nun sinnvoll verfahren soll. Der Aufruf der Bundeskanzlerin, die eine sachlich-pragmatische, gleichwohl unaufgeregte Debatte einklagte, war nur wenige Tage nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub verhallt. Besonders die CSU mit ihrem grollenden Chef Horst Seehofer schickt täglich mehrere Hagelgewitter gen Berlin, der bayerische Ministerpräsident sieht die alten Werte des Abendlands gefährdet und lehnt eine steuerliche Gleichstellung von Homos vehement ab: „(…)Ehe und Familie sollten priviligiert bleiben“, betont er landauf, landab, und die Betonung liegt auf dem „und“. Diese Anti-Haltung Seehofers ist schon deshalb verwunderlich, weil im schwarz-gelben Koalitionsvertrag der Wille nach einem Abbau von Nachteilen für homosexuelle Lebenspartnerschaften festgehalten ist. Und diesen Vertrag haben vor drei Jahren nicht nur Frau Merkel für die CDU und Guido Westerwelle für die FDP unterschrieben, sondern auch Horst Seehofer für die CSU. „Pacta sunt servanda!“ – eine an sich recht konservative Haltung: Verträge sind einzuhalten!
Die schwarz-gelbe Regierungskoalition könnte bald in eine Krise geraten
Es ist anzunehmen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß, dass es in dieser Diskussion keine Ruhe geben kann. Mehr noch: Die Zeit drängt. Zehn FDP-Abgeordnete haben durchblicken lassen, dass sie im Bundestag einen rot-grünen Vorstoß zur steuerlichen Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben mittragen würden. Dies würde die schwarz-gelbe Koalition in eine Krise stürzen, sie vielleicht gar zerbrechen lassen. Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe in absehbarer Zeit in dieser Frage zu einem Urteil kommen wird, und Experten gehen davon aus, dass das BVG die Rechte schwuler und lesbischer Paare einmal mehr stärken wird. Es bleibt also spannend.
Von: HOLGER DOETSCH, Bildquellen: julia-kloeckner.de, flickr CC gruenenrw