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Von edlem Geblüt: Überraschende Töne aus der CSU

Bundestag CSU

Ausgerechnet jene Partei, deren langjähriger Vorsitzender den Ausspruch »Lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder« tat, die Homosexuelle pauschal als HIV-Überträger brandmarkten und aus deren Reihen 1987 die Idee eines Lager für HIV-infizierte und an AIDS erkrankte Menschen an die Öffentlichkeit gelangte – ausgerechnet jene Partei macht sich für ein Ende der Blutspende-Restriktionen für Homosexuelle stark. Da staunt der Fachmann, und der Laie wundert sich. 

Aktuell ist das Thema nämlich wieder einmal im Bundestag, und je länger die Diskussionen dauern, um so lächerlicher machen sich die Befürworter des Status quo. Aus dem langjährigen grundsätzlichen Blutspende für Homosexuelle wurde 2017 ein Gnadenakt: Wer 12 Monate auf sexuelle Begegnungen verzichte, dürfe selbstverständlich auch als schwuler Mann Blut spenden. 

Hossa, was haben wir gefeiert!

Da sind manche Achtklässler schon viel weiter. Bei einer meiner HIV-Präventionsveranstaltungen ging es auch um Blutspende und Organtransplantation. Da meldet sich schüchtern eine Schülerin und fragt, ob HIV-positive Männer nicht Blut oder Organe für andere positive Männer spenden könnten.

Auch wenn es ein wenig absurd klingen mag – ich war begeistert, welche Gedanken sich so junge Menschen machen können, auch wenn es so nicht zu realisieren ist.

Aber Blutspenden! Täglich werden in Deutschland rund 15.000 Blutspenden gebraucht, aber nur 2 bis 3% der Einwohner gehen regelmäßig zum Pieks, der anderen Menschen das Leben retten kann. Und die Tendenz ist sinkend.

Hier rächt sich wieder einmal die diskriminierende Haltung der heterosexuellen Mehrheit, die Homosexualität ausschließlich auf Sexualität reduziert, aber den Menschen dahinter ansonsten nur sehr zögerlich anerkennt.

Gewiss, der Friseur ist nett, der Schlagersänger oder Schauspieler sieht gut aus und auch der Kollege ist höflich – aber muss ich mir von so einem helfen lassen, wenn es mal auf Messers Schneide steht? Das Argument der HIV-Gefährdung sollte bitte endlich vom Tisch sein, schließlich gelten die diesbezüglichen Labortests bereits nach sechs Wochen als sicher. Mehr Zeit muss also auch nicht vor der Blutspende ins Land ziehen.

Zudem haben sich in Deutschland laut Robert-Koch-Institut etwa 56.000 Männer nach homosexuellen Kontakten mit HIV infiziert, man kann aber locker von mehr als 2, wenn nicht sogar 3 Millionen schwulen Männern in Deutschland ausgehen. Selbst wenn auch hier die Blutspendebereitschaft lediglich 2 bis 3% betrüge, wären es mindestens 50.000 weitere Blutspender, auf die derzeit mit leichter Hand verzichtet wird.

Und ausgerechnet bei diesem Thema öffnet sich die CSU! Die pauschale Behauptung, homosexuelle Menschen verhielten sich weniger verantwortungsvoll, sei nicht akzeptabel, klingt es unisono aus der Fraktionsgeschäftsführung des Bundestags und dem Generalsekretariat.

Doch so ganz können auch die Christsozialen nicht aus ihrer Haut. Intern lautet die Begründung für den Vorstoß, dass man den ideologisch geprägten Entwurf der Grünen nicht unterstützen möchte, sondern lieber mit der SPD einen eigenen Vorschlag unterbreiten wolle. Wer hier ideologisch denkt, muss nicht weiter erwähnt werden …

Written by Matthias Gerschwitz

Matthias Gerschwitz, Kommunikationswirt, ist seit 1992 in Berlin mit einer Werbeagentur selbständig. Seit 2006 schreibt er Bücher zu verschiedenen Themen (»Ich erzähle gerne Geschichte anhand von Geschichten«); vorrangig wurde er aber mit seinen Büchern über HIV (»Endlich mal was Positives«) bekannt. Matthias hat schon in der Vergangenheit gelegentlich und aus aktuellem Anlass Artikel für Queerpride verfasst. Anfang 2015 ist er fest zum »netzdenker«-Team gestoßen.

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