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»It’s A Sin«: Sündhaft ehrliche Mini-Serie über HIV im London der 80er

It's A Sin
Ep.1 Colin amongst party crowd.

Am 20. Juni 2021 ist es soweit: Die britische Channel 4-Serie über fünf Freunde, die ihre Adoleszenz in London mit großen Hoffnungen, aber auch im Schatten der aufkommenden AIDS-Epidemie feiern, läuft in deutschen Streamingdiensten an. Die in Barcelona ansässige Plattform Rakuten TV zeigt die Mini-Serie im Starzplay-Abonnement. QUEERPRIDE wird sich einigen Aspekten der Mini-Serie widmen.

Bei ihrer Erstausstrahlung in Großbritannien im Januar und Februar entwickelte sich »It’s A Sin« zu einem echten Hit. Bereits nach wenigen Tagen verzeichnete die Channel 4-Mediathek über 6,5 Mio. Aufrufe. Zum Vergleich: »All you need«, die aktuelle fünfteilige deutsche schwule Mini-Serie, lag in den ersten 10 Tagen bei gerade mal 1,1 Mio. Aufrufen – und schon das wurde gefeiert.

Vergleichen kann man die Serien allerdings in keiner Weise, sieht man einmal von der sexuellen Orientierung der Protagonisten ab. »All you need« bezeichnet sich selbst als »Dramedy« und soll mit leichter Hand unterhalten, auch wenn Diskriminierung, Gewalt und Beziehungsprobleme nicht ausgespart werden.

»It’s A Sin« dagegen ist ein handfestes historisches Drama, beschreibt es doch nicht weniger als den Zeitraum zwischen 1981 und 1991, als für viele junge Schwule die Flucht aus der Familie in (zumeist) die Großstadt – und damit auch die Selbstfindung – von einer neuartigen, nicht greifbaren und tödlichen Erkrankung überschattet wurde.

Ritchie, Colin und Roscoe, drei junge Männer, die den unterschiedlichsten familiären Situationen entstammen, finden in der Londoner Subkultur zusammen; gemeinsam mit Ash und Jill, die Ritchie von der Universität her kennt, bewohnen sie als Wohn-, aber auch eine Art Lebensgemeinschaft den »Pink Palace«. Aus der bunt zusammengewürfelten Truppe werden beste Freunde, deren Schicksal sich enger verknüpfen wird, als es ihnen lieb sein kann. 

Zunächst ist ihr Leben so, wie man es sich nach dem Lösen der familiären Fesseln nur wünschen kann: Freiheit, Sex und Feiern. Doch plötzlich steht etwas im Raum, das zunächst noch als Verschwörung abgetan wird; da niemand genau weiß, was es ist und wo es herkommt; bei AIDS kann es sich nur eine Lüge handeln.

Zudem habe die Regierung ihre Finger im Spiel, um Homosexuelle auszulöschen. (40 Jahre später wiederholen sich, wenn auch in anderen Gruppen, einige dieser »Argumente« auffallend, nur dass es jetzt um »Corona« geht …).

Wie die Serie um die fünf Freunde ausgeht, kann man sich denken – dazu ist die reale Geschichte um HIV & AIDS noch viel zu präsent. Aber »It’s A Sin« zeigt noch eine weitere Bedrohung aus den 80ern: »Section 28«, die berüchtigte Gesetzeserweiterung, mit der jegliche positive Berichterstattung über Homosexualität unter Strafe gestellt wurde. Zwischen 1988 und 2003 wurde damit u. a. jegliche Information, Beratung und (Selbst-)Hilfe so gut wie unmöglich gemacht, so wie es heute in Russland und anderen osteuropäischen Ländern der Fall ist.

© Raketen TV / Starzplay

Damit unterscheidet sich die britische Serie wohltuend von so mancher monothematisch angelegten US-amerikanischen Darstellung der 80er Jahre. In diesem Sinne ist »It’s A Sin« eigentlich gar keine schwule oder queere Serie, sondern beschreibt die Gefühlslage und Lebenssituation einer (beinahe) ganzen Generation, wenn sie von außen bedroht wird … denn auch das schwule Leben findet bekanntlich nicht nur in der Echokammer der Subkultur statt. Das Ganze wird untermalt von einer Musik, die das Lebensgefühl perfekt widerspiegelt und die lange nachhallt. 

Fazit: Anschauen lohnt. Definitiv.

Übrigens: Wie es mit den Protagonisten aus »All you need« weitergeht, wird man in einer zweiten Staffel verfolgen können. Bei »It’s A Sin« haben nicht alle Figuren diese Chance …

Written by Matthias Gerschwitz

Matthias Gerschwitz, Kommunikationswirt, ist seit 1992 in Berlin mit einer Werbeagentur selbständig. Seit 2006 schreibt er Bücher zu verschiedenen Themen (»Ich erzähle gerne Geschichte anhand von Geschichten«); vorrangig wurde er aber mit seinen Büchern über HIV (»Endlich mal was Positives«) bekannt. Matthias hat schon in der Vergangenheit gelegentlich und aus aktuellem Anlass Artikel für Queerpride verfasst. Anfang 2015 ist er fest zum »netzdenker«-Team gestoßen.

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