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Die letzten Tage des schwulen Philosophen Ludwig Wittgenstein

Er war eine Urgewalt unter den Philosophen, der mit nur zwei Büchern sein Fach auf den Kopf stellte – aber als Schwuler auch immer nur Außenseiter blieb: Ludwig Wittgenstein (1889-1951), Philosoph von Weltrang und Eigenbrötler zugleich, nahezu ausnahmslos unglücklich und neurotisch. „Seine Verfassung ist die eines Künstlers, intuitiv und launisch.

Er sagt, dass er seine Arbeit jeden Morgen hoffnungsvoll beginne und jeden Abend in Verzweiflung ende“, beschrieb ihn sein Förderer, der englische Philosoph Bertrand Russell. Viel ist über den wohl auch hübschesten Philosophen des 20. Jahrhunderts gerätselt worden.

Autor Markus Seidel hat ihm nun einen Roman gewidmet, der in aller Schlichtheit die letzten Tage des großen Denkers erzählt und dabei Biografisches mit Fiktion verbindet: Wittgenstein weiß in Seidels Roman, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Zunehmend auf Hilfe angewiesen, verbringt er die letzten Monate seines Lebens im Haus seines Arztes Dr. Edward Bevan in Cambridge – atmosphärische Anklänge an E.M. Forsters Maurice kommen da auf. In Cambridge ist Wittgenstein entgegen seinen Befürchtungen ungemein produktiv. Und in Gesprächen mit Mrs. Bevan, der Frau des Arztes, lässt Wittgenstein die Vergangenheit Revue passieren.

Dabei geht es um seine Jugend in Wien, die Jahre als Student und später als Dorfschullehrer, die Mühen als Architekt für das Haus seiner Schwester, die Zeit als Professor und seine homosexuellen Beziehungen. Vor allem aber ist es Raymond, ein 17-jähriger Junge aus der Nachbarschaft, der in diesen letzten Tagen zu Wittgensteins Begleiter wird und den Philosophen immer wieder herausfordert …

Die letzten Tage vor dem Schweigen

Markus Seidel erzählt unprätentiös und mit großer Melancholie vom Ende eines Lebens, aber gleichzeitig schafft er es, diese letzten Tage ganz leicht erscheinen zu lassen und die Begegnungen mit Raymond als elektrisierende Szenen einzustreuen. „Die letzten Tage vor dem Schweigen“ ist ein queerer Roman, der ohne Stereotype auskommt. „Wittgenstein ist wahrscheinlich eine der skurrilsten, exzentrischsten, aber auch undurchschaubarsten queeren Figuren. Genau das reizte mich. Ich wollte in Augenkontakt zu diesem Menschen kommen“, so Markus Seidel zur Frage, weshalb er ausgerechnet über Wittgenstein geschrieben hat. Es ist ihm gelungen.

Vor 20 Jahren als Shooting-Star gehandelt (Freischwimmer/Droemer, Umwege erhöhen die Ortskenntnis/Aufbau Verlag), hat er nach vielen Jahren Pause nun wieder ein Buch vorgelegt. „Ich hatte alles erzählt, was ich erzählen wollte. Mich trieb lange Zeit nichts, es aufzuschreiben. Wittgenstein hat mich nach fast zehn Jahren wieder zum Erzählen gebracht“, erklärt der heute in Hamburg lebende Autor seine lange Abstinenz. Bleibt zu hoffen, dass er nicht weitere zehn Jahre bis zum nächsten Buch braucht.

Markus Seidel, Die letzten Tage vor dem Schweigen. Roman. 186 Seiten, ISBN 978-3-95894-287-5 // 16 Euro. Überall im Buchhandel erhältlich oder direkt beim Verlag https://www.omnino-verlag.de/shop/Die-letzten-Tage-vor-dem-Schweigen-Roman– Ein-Buch-von-Markus-Seidel-132.htm

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