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Booty, Titten und Duckface

Wenn der Traum von der Glamourwelt zwischen Koks, Prostitution und Magerwahn enden

Makelloses Gesicht, püppchenhafter Augenaufschlag und eine wallende Mähne bis zum prallen Hintern – schon immer übten die Models der weltweiten Laufstege eine besondere Faszination nicht nur auf die Frauenwelt aus. Junge Mädchen und Frauen wollten sein wie sie, übten Schmollmünder vor dem Spiegel, malten sich Schönheitsflecken an die Oberlippe wie Cindy Crawford oder die Lippen knallrot an wie Claudia Schiffer.

Nicht wenige trieb der Schönheitswahn der 80er und frühen 90er Jahre in die Magersucht. Und auch die Models selbst zeigten immer unverhohlener, welchen Lifestyle sie lebten und prägten damit eine ganze Fashionrichtung: Der „Heroin Chic“ ging auf Models wie Kate Moss zurück, die völlig zugedröhnt über den Laufsteg liefen und mit strähnigen Haaren, hervorstehenden Beckenknochen und Schlüsselbeinen die Mode der Grunge-Ära prägten.

Vertrieben wurden damit die „Glamazonen“ von den Laufstegen: Claudia, Christy, Linda, Cindy oder Naomi, deren Hoch-Zeiten von Peter Lindbergh im Jahr 2013 als „Zeit der ‚Big Five‘“ beschrieben wurde: „Es wird nie wieder so etwas wie die Supermodel-Ära geben“. 

Glamour und Gefahr: Supergagen oder ‚Fuck Palace’

Denken wir an die 80er Jahre, denken wir sofort an sie: die „Big Five“, traumhafte Gagen und ein Leben zwischen Luxus und Parties, wunderschöne Frauen, die alles haben, was wir Normalos uns so wünschen – einfach mit einem Fingerschnippen. Bereits im Jahr 1999 räumte die BBC bereits mit den Mythen des Modelbusiness aufgeräumt und berichtete mit Hilfe von versteckten Kameras von Horrorszenarien mit gekauftem Sex, Sex mit minderjährigen Nachwuchsmodels und harten Drogen.

Statt millionenschweren Verträgen mit Make-up – Firmen abzuschließen oder shoppen über die Mailänder Straßen zu flanieren, landeten nicht wenige junge Mädchen zugedröhnt im „Prinicpessa Clitoris“ oder einem Hotel mit dem Spitznamen „Fuck Palace“, belagert von gut betuchten, ältlichen Playboys, die gerne für Sex mit den jungen Mädchen bezahlen wollten.

Drogen waren allgegenwärtig: So berichtet dass ehemalige Top Model Bitten Knudsen dem langjährigen Modejournalisten Michael Gross, wie sie bei Fotoshootings der Vogue mit Kokain für das Shooting vorbereitet wurde: „Nimm das. Ist gut fürs Foto.“ Wie ausschweifend zu dieser Zeit gefeiert und wie selbstverständlich Drogen waren zeigt das Schicksal der 1986 verstorbenen Gia Carangi.

Das ‚Enfant Terrible‘ der frühen 80er Jahre, deren Leben mit Angelina Jolie in der Hauptrolle 1998 verfilmt wurde und die als eines der ersten prominenten Supermodels offen zu ihrer Homosexualität stand, wurde bereits als Teenager entdeckt und von der Modeszene für ihre Schönheit gefeiert.

Mit 26 starb das Supermodel nach jahrelanger Heroinsucht als eine der ersten bekannten AIDS-Opfer. Ihre damalige Geliebte berichtete nach ihrem Tod: „ Das Problem war, dass die  Leute auf den Shootings mehr daran interessiert waren die Einspritznarben zu verbergen als ihr zu helfen.“ 

Doch in seinem Buch berichtet Gross nicht nur über die hässlichen Seiten des Geschäfts, er zeigt auch die Hauptakteure dieses zwielichtigen Zirkus. Linda Evangelista sagte in einem Interview mit der Vogue: „Für weniger als 10.000 Dollar am Tag wachen wir gar nicht erst auf.“

Eine Gage, von der die Durchschnittsfrau zu der Zeit nur träumen konnte und es natürlich auch tat. Kein Wunder, dass die Queens der Modeindustrie, deren Gesichter und Körper scheinbar alles verkaufen konnten und denen jedes weibliche Wesen nacheifern zu schien ihren Status zu der Zeit sicherten mit Aussagen wie „Wir machen nicht, was en vogue ist. Wir sind en vogue.“ 

Champagne Supernovas oder auch: Wie der Heroin Chic die Laufsteg-Musen vertrieb

Mit dem Ende der 90er Jahre endete auch die Glamour-Ära der „Big Five“, die zwischenzeitlich zu den „Big Six“ angewachsen ist: Kate Moss, deren leicht androgyner Skinny-Look den Heroin-Chic mitbegründet hat wie keine andere Figur des Modelbusiness.

Doch zwischen breiten Calvin Klein Boxershort-Bünden, die über tiefsitzenden, zerrissenen Jeans hervorlugten, der Mode des Grunge der 90er Jahre und dem Aussterben des Glamours in Musik- und Modeszene, zeigten sich hässliche Spuren der nihilistischen Vision der Modemacher von blasser Haut, knochigen Frauenkörpern und dunklen Ringen unter den Augen. Berichte von Drogenopfern stiegen weltweit an, Bulimie und Magersucht war auf einem Rekordhoch.

Parallel dazu veränderte sich das bis dato schmutzige Bild der Droge. Der Preis für ein Gramm Heroin war ins lächerliche abgesunken, die Reinheit hingegen war dramatisch angestiegen. Gerade unerfahrene User gerieten so oft in die Gefahr einer versehentlichen Überdosis.

Ein populäres Beispiel wie beliebt das Schnupfen von Heroin gerade in den 90er Jahren war ist der Film Pulp Fiction, in dem Uma Thurman beinahe an einer Überdosis stirbt und von John Travolta gerettet wird.

Doch auch Filme wie The Basketball Diaries, Trainspotting oder Kids hatten nicht nur den gewünschten Effekt der Aufklärung – sie verherrlichten und verharmlosten den gefährlichen Lifestyle und formten einen Mythos darum. 

Auch Models wie Kate Moss wurden Part dieses Mythos. Noch heute zählt das Supermodel zu einer der einflussreichsten Werbefiguren weltweit. In den 90er Jahren lief sie jedoch nie nüchtern über den Laufsteg, ließ sich nur high ablichten. Maureen Callahan, Journalistin der „New York Post“ enthüllte mit ihrem Buch „Champagne Supernovas“ diverse pikante Geschichten über die wilden 90er Jahre in der Modebranche, Gruppensex nach Fashion Shows und Dreiecksbeziehungen mit Jude Law, Sadie Frost und Pete Doherty.

„Erst feierten alle zusammen, dann schliefen alle miteinander“, so Callahan. Und auch Marc Jacobs, der als Modedesigner heute zu den wichtigsten Figuren der Fashionwelt gehört, ist Teil dieser gesammelten Berichte. Perfekter Gossip-Stoff: Das Buch bildet die Grundlage für eine gescriptete Fernsehserie, die, ebenso wie viele Berichte, Bücher und Serien die schmutzige Seite des Catwalks beleuchtet.

‚Germany’s next Topmodel‘

Die Zeit der großen Models ist heute vorbei. Denken wir an populäre Kampagnen – Calvin Klein, die mit den Kardashian Schwestern, Maybelline, deren Gesichter aus verschiedenen internationalen und nationalen Pop- und Schauspielsternchen bestehen, oder die berühmten Nespresso-Werbespots mit George Clooney – klassische Models sucht man hier längst vergebens.

Es scheint, als sei mit der Popularität von Instagramsternchen und YouTube Stars die Zeit der Models endgültig vorbei. Doch so ganz stimmt das nicht, wie die Einschaltquoten von Heidi Klums „Germany’s next Topmodel“ beweisen. 2019 lief bereits die 14. Staffel der Castingshow.

Neu im Programm: Die Castingshow „Queen of Drags“, ebenfalls gehostet von Heidi Klum und ebenfalls auf Pro Sieben. Doch trotz aller Aufklärung birgt das Modelbusiness noch immer Schattenseiten und Negativaspekte, wie eine Teilnehmerin der Klum’schen Castingshow der Zeitung BILD verrät: „Modeln möchte ich nicht mehr.

Ich will nicht mehr auf Fashion Weeks. Ich war bei den Castings der Fashion Week, und das ist mir zu viel Druck. Es hat mich schon damals fertiggemacht, mich mit anderen zu vergleichen. Lieber möchte ich einen positiven Lifestyle führen und das machen, was mir Spaß macht.“

Natürlich ist es wenig überraschend, dass ein harter Konkurrenzdruck herrscht in einem Business, dass sich durch Äußerlichkeiten definiert. Doch für die gefragten Models, deren Durchschnittsalter zwischen 16 und 18 Jahren liegt, ist gerade das ein Problem – Definition über die Körperlichkeit und das ständige darauf reduziert werden macht aus jungen Mädchen unsichere Erwachsene – oder etwa nicht?

‚Boss Bitches‘ – oder auch: warum ein hübscher Hintern auch an selbstbewussten Frauen hängen kann

Splitterfasernackt in einer Plastikblase: Wir schreiben das Jahr 2019 und das ist ein beliebtes Motiv eines Postings auf Instagram. Motiv des Fotos ist die ehemalige YouTuberin, Castingshowmoderatorin und jetzt auch erfolgreiche Musikerin Shirin David, deren Songs „Gib ihm“, „Fliegst du mit“ und „Brillis“ die deutschen Charts dominierten.

Fast fünf Millionen Menschen folgen der Jungunternehmerin, deren ersten musikalisches Feature mit dem bekannten Rapkünstler Shindy gleich gepaart mit einer dicken Ansage kam. Hintergrund der Geschichte war ein musikalischer Part auf dem Song „Affalterbach“.

Zwar wurde wohl, glaubt man der Berichterstattung, der Produzent genannt, nicht jedoch die Beteiligung Shirin Davids. Und auch über das Videokonzept konnten die beiden sich nicht einig werden, laut David wünschte sie sich eine gleichberechtigte Darstellung der beiden Künstler.

Begriffe wie „Spinnerin“ fielen angeblich ebenso. Nun würden vielleicht einige Newcomer darüber hinweg sehen, vielleicht auch zugunsten ihrer Karriere kuschen. Vielleicht auch einfach mit ein wenig mehr Haut punkten um ein paar mehr Klicks, Streams oder Likes zu bekommen.

„Ich bin nicht bereit, mir auf der Nase rumtanzen zu lassen“, erklärt sie in einem Statement dazu und sagt in ihrem sehr ausführlichen Kommentar zwei Dinge, die in Zeiten von „#metoo“-Debatten und immer wieder aufkeimendem Sexismus für ein wenig Hoffnung sorgt: „Ich muss doppelt so hart kämpfen, weil ich eine Frau bin.“ 

Sexismus im Alltag ist ebenso ein Thema wie Sexismus in der Musik. Leider definieren sich viel zu viele Menschen noch immer über ihr Aussehen, sehen Nacktheit und Weiblichkeit noch immer als konträr zu Geschäftstüchtigkeit und Intelligenz.

„Ich möchte, dass meine Nacktheit genauso gesellschaftlich akzeptiert wird wie die der Männer“, schreibt sie in einem langen Statement zu dem oben beschriebenen Bild und fragt weiter, ob es denn auch Kritik für sie gäbe, würde sie sich mit Wedding einen politischen Spruch auf die Brüste schreiben.

„..Es scheint, dass viele Menschen immer noch davon schockiert sind, dass eine Frau unter ihren Kleidern nackt ist.“ Die Kritiken, dass sie ihren Körper zur Schau stelle um mehr Platten zu verkaufen, kommentierte sie trocken mit einem Kommentar zu ihrem bald kommenden Parfum, mit dem sie auch angezogen genug Geld verdienen würde. 

Frauen, wie Shirin David, Cardi B, die im Video ihres jüngst erschienenen Song „Press“ alle Hüllen fallen ließ, Nicki Minaj oder Kim Kardashian, die mit ihrer Make-Up-, Mode- und Entertainmentvermarktung ebenso wie ihre Schwestern längst dem Dummchen-Image der Realityshow entwachsen sind, machen Millionen – aber nicht trotz oder wegen ihrer langen Nägel, gemachten Brüste oder gestrafften Hintern.

Sie stehen ihre Frau, weil sie genau das sind – Frauen unserer Generation, gleichwertig, ebenbürtig, stolz auf sich und ihre Leistung. Längst scheint die Generation ewiger Praktikantinnen ausgestorben zu sein, die sich alles gefallen lassen „der Karriere wegen“.

Sie leben jungen Frauen eines vor, vielleicht eine der wichtigsten Grundsätze, die sicherlich vielen Jungmodels hässliche Schicksale erspart hätten: Sei, wer du sein willst, trage, was du tragen willst, schlafe mit wem du willst – und nicht mit wem du musst – und behaupte dich mit etwas, worin du wirklich gut bist oder woran du wirklich glaubst.

Und wenn du dich entscheidest, deinen Hintern in eine Kamera zu halten, tu es – weil du stolz darauf bist, woran dieser Hintern hängt.

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