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Was wir von “Bridgerton” vor dem Valentinstag lernen können

BRIDGERTON
BRIDGERTON (L to R) ADJOA ANDOH as LADY DANBURY and REGÉ-JEAN PAGE as SIMON BASSET in episode 108 of BRIDGERTON Cr. LIAM DANIEL/NETFLIX © 2020

Als pünktlich zum Weihnachtsfest die von Shonda Rhimes produzierte TV Serie “Bridgerton” auf Netflix erschien, hätte das Timing nicht besser sein können. Ein großer Teil der Netflix Gemeinde hatte in düsteren Corona Zeiten bereits sehnsüchtig auf romantische Abwechslung gewartet und Bridgerton sollte seine Fans nicht enttäuschen.

Auf den ersten Blick erinnerte mich diese Serie an eine Mischung aus “Stolz und Vorurteil” und “Gossip Girl”, als während der Londoner Ball Saison des Jahres 1813 die Debütantinnen auf der Suche nach Ehemännern sind. Dabei werden die Erfolgsaussichten wesentlich vom Urteil der Königin Charlotte und dem Klatsch der geheimnisvollen Lady Whistledown beeinflusst wird.

Allerdings erscheint mit “Bridgerton” in Zeiten der “Black Lives Matter” Bewegung durchaus zeitgemäß, da es sehr viele afro-europäische Charaktere gibt, die sich in einflussreichen Positionen in der Gesellschaft befinden. In der ersten Staffel geht es dabei in erster Linie um Daphne Bridgerton, die sich in Simon Basset, Duke of Hastings verliebt, der zuerst auf gar keinem Fall heiraten und dann keine Kinder haben möchte, was mich als schwuler Mann ein wenig an meine eigenen Dating Abenteuer erinnert.

“Sex” kommt in Bridgerton auf gar keinem Fall zu kurz und die Zuschauer dürfen in der ersten Folge bereits nach wenigen Minuten Jonathan Bailey’s nackten, knackigen Hintern bewundern, der Anthony Bridgerton verkörpert. Bailey ist im realen Leben schwul, setzt sich für die obdachlose LGBTQ Jugend ein und wirkt immer wieder gerne in Produktionen mit, die schwule Erfahrungen vermenschlichen.

Bridgerton machte seine Darsteller innerhalb von Tagen zu Haushaltsnamen und wurde die in 76 Ländern die meistgesehendste Netflix Serie. Aber die Frage bleibt, welche Bedeutung die eigentliche Botschaft dieser Fernsehserie für uns schwule Männer wenige Tage vor dem Valentinstag am 14. Februar hat, der dieses Jahr auch noch auf einem Sonntag fällt.

Tatsächlich wird auch das Thema “Schwulsein” in Bridgerton aufgegriffen, da Benedict Bridgerton den Maler Henry Granville kennenlernt, der einen schwulen Liebhaber hat.

Der überraschte Bridgerton bleibt jedoch einer schwulen Versuchung fern und vergnügt sich stattdessen mit der Ehefrau des Künstlers. In einem späteren vertraulichem Gespräch zwischen den beiden Männern wird jedoch deutlich, wie schwer es in der damaligen Zeit war, zu seiner Homosexualität zu stehen.

Ich schrieb im letzten Jahr ein Buch über die Geschichte der Schwulenbewegung. Tatsächlich wäre ein Outing im Jahre 1813 unmöglich gewesen und in vielen Ländern mit Todes- oder Gefängnisstrafe bestraft worden.

Henry Granville’s Liebe wurde in Bridgerton als eine heimliche dargestellt. Meine eigene Begeisterung war daher groß, dass Jonathan Bailey im Jahre 2021 mitten im Leben steht und sich für die LGBTQ Gemeinde einsetzt, nachdem ihn andere schwule Schauspieler ursprünglich von einem Outing abgeraten hatten.

Viele Leser von Romanen und Zuschauer von Bridgerton können sich für die spannende Suche nach einem Partner für das Leben begeistern. Aber, den meisten von uns wird gerade am Valentinstag wieder bewusst werden, dass die Realität oft etwas ernüchternder und weniger romantisch ausfällt.

Ich selbst zähle mich auch zu den eingefleischten Singles, die an diesem Tag die Nase voll hatten, wenn in den Londoner und New Yorker Großraumbüros wahre Meere von roten Rosen geliefert wurden, die in der Regel mit dem Aufschrei von nervigen Kolleginnen begrüßt wurden. Die Frustration setzte sich dann oft in der U-Bahn auf dem Nachhauseweg fort und ein einmal ehrlich, welcher Single möchte sich an diesem Abend in ein Restaurant setzen, das voll gestopft mit mehr oder weniger verliebten Paaren ist.

In der Regel nehmen diese “Verliebten” dann am Tag der Verliebten auch eher wenig Rücksicht auf ihr Umfeld und die Geschichten, die wir Singles zu erzählen haben. Sicherlich gibt es die Sorte von Singles, die sich für das “Leben alleine” entschieden haben.

Aber es gibt auch andere, die schlimme Trennungen erlebt oder ihre Partner auf traurige Art und Weise verloren haben. Ich selbst bin in einem Umfeld aufgewachsen, in der mir immer wieder und wieder nahe gelegt wurde, sesshaft zu werden und noch in den 20ern verheiratet zu sein. Aber es gibt gerade in der Schwulen Gemeinde viele, bei denen es nicht geklappt hat und dazu gehöre ich wie auch viele meiner Freunde.

Aber was wird den nur aus uns, die auch in Zeiten von Bridgerton Single sind, und das Ziel, einen Partner, Haus, Kind und Hund vorweisen zu können, noch nicht erreicht zu haben. Ausgerechnet in der letzten Folge von Bridgerton gibt es die Art von Botschaft, die in der heutigen und schnelllebigen Zeit oft vergessen wird.

Als Daphne’s Mutter ihr anvertraut, dass auch sie und ihr verstorbener Mann etliche Hürden zu überwinden und sich bereits am Anfang das Versprechen gegeben hatten, sich jeden Tag ihres Lebens zu lieben, da erkennt auch Daphne, dass es an ihr und Simon liegt, die gemeinsame Ehe zu retten. 

Und plötzlich glaubt die Duchess fest daran, dass die Entscheidung sich zu lieben ihnen helfen wird, alle Herausforderungen ihres Lebens zu überwältigen.
Diese Szene in Bridgerton hat mich sehr berührt und ich mich sofort an zwei Freunde erinnert, die irgendwann nach einigen Auf und Abs ihre Trennung auf Facebook bekannt gaben und sich später dann doch zu unserer Erleichterung wieder zusammenrauften, was mich sehr glücklich gemacht hat.

Und tatsächlich haben sich bereits unsere Eltern dieses Eheversprechen gegeben. Aber selbst wir Männer, die uns lieben, können diese Entscheidung jederzeit gemeinsam treffen, für die es nie zu spät ist.

Ich selbst bin in diesem Jahr auch wieder einmal vor dem Valentinstag Single und einmal ehrlich, die meisten von uns hatten sicherlich auf im Covid Jahr 2020 andere Dinge im Kopf, als für ein lausiges Date die Bekanntschaft mit dem Coronavirus zu machen.

Aber ich glaube fest daran, dass auch wir als Singles die Entscheidung treffen können, das eigene Leben zu lieben. Dabei spielt es keine Rolle, wenn es vielleicht mit dem Traummann, dem Traumjob, dem Traumkind oder anderen Träumen nicht geklappt hat.

Denn wir werden viel besser mit Enttäuschungen klarkommen, wenn wir uns selbst nie aufgegeben haben. Der Gedanke daran, dieses Leben zu lieben und alles zu tun, um es nicht zu verschwenden, wird den meisten von uns mit einem inneren Frieden und einem guten Gefühl zurücklassen.


Und auch wenn ich selbst am kommenden Sonntag keine roten Rosen bekommen werde, werde ich an diesem Tag zumindest meiner Tochter eine Freude machen, die sich auch als sechs Jahre altes Mädchen für Rosen und Pralinen begeistern kann.

Und vielleicht ist dies auch die richtige Botschaft, anstatt am Valentinstag frustriert sein einfach einmal an andere zu denken, die sich an diesem Tag besonders in den oft einsamen Zeiten von Corona über eine Aufmerksamkeit freuen würden.


Stay safe

Bild: LIAM DANIEL/NETFLIX © 2020.

Written by Derek Meyer

Derek Meyer wird im Rahmen einer Artikel Serie über das Leben in New York schreiben. Er hatte bereits in seinem Debüt Roman „Coming Out in New York“ die Auf und Abs des Lebens in der New Yorker Gay Szene beschrieben und meldete sich knapp 2 Jahre später mit seinem zweiten Buch „Baby, Fame & Inspiration“ zurück. Beide Bücher sind auf www.tredition.de und Amazon erhältlich.

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