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Singapur: LGBT-Festival »Pink Dot« kann stattfinden

Pink Dot

Das für den 1. Juli geplante LGBT-Festival »Pink Dot« kann stattfinden, obwohl die Regierung Unternehmen wie Facebook oder Google jegliche finanzielle Unterstützung verboten hatte. »Pink Dot« ist ein wahrhaft bunter Fleck im autoritären Stadtstaat Singapur und hat seit 2009 immer mehr Zulauf und damit auch internationale Aufmerksamkeit erhalten, so dass sich in diesem Jahr etliche große internationale Unternehmen zur Unterstützung bereit erklärt hatten.

Das allerdings war konservativen Kreisen ein Dorn im Auge, die den enormen Erfolg des Festivals unterbinden wollen. Und wieder einmal kann man nur mit dem Kopf schütteln. Denn christlich-fundamentale Organisationen machten lautstark Stimmung gegen das Festival, so dass die Regierung etwas unternehmen musste.

Der Staat bastelt sich eine Diskriminierung

Verbieten konnten die offiziellen Stellen das Festival nicht, da es in »Speaker’s Corner« im Hong Lim Park stattfindet, dem einzigen Ort in Singapur, an dem Demonstrationen aller Art stattfinden dürfen. Und so musste die Regierung von hinten durch die Brust ins Auge argumentieren, um das Festival behindern zu können:

Der Platz stehe nur Bewohnern von Singapur zur Verfügung, Ausländer dürfen an keinem der dort abgehaltenen Veranstaltungen teilnehmen. Und dieses gelte eben auch für ausländisches Kapital, selbst wenn die Unternehmen lokale Ableger internationaler Konzerne seien.

Doch weit kamen sie mit dieser »Regelung« nicht. Viele einheimische Unternehmen und Einzelhändler sprangen nach Bekanntwerden der Weisung in die Bresche. Etwa 50 lokale Unterstützer konnten schon jetzt, drei Monate vor dem Festival, etwa 70% der im Vorjahr benötigen Gelder zusammentragen. Natürlich dürfen theoretisch auch ausländische Firmen spenden, doch muss dazu die Regierung eine Genehmigung erteilen.

Dass dies geschieht, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Homosexualität ist in Singapur verboten und kann mit zwei Jahren Haft bestraft werden. Allerdings verfolgen die Behörden Schwule und Lesben nicht mehr. Der Grund ist ökonomischer Natur: Seit der Rezession 2001 sucht Singapur seine Wirtschaft im Eiltempo zu diversifizieren und investiert massiv in kreative Kräfte.

Um attraktiv zu sein, gibt es einen ausgewiesenen Rotlichtbezirk und sogar eine Schwulenmeile. Offen schwul sollte man in Singapur trotzdem lieber erst ab 22 Uhr sein, auch wenn die Messingschilder in den einschlägigen Kneipen, die gleichgeschlechtliche Paare ans Kussverbot erinnerten, längst abmontiert sind.

Vom »Singa-Puritaner« zum weltoffenen Menschen?

Trotzdem ist noch viel zu tun. »Pink Dot« versteht sich daher als Plattform, auf der das bisher unbekannte Wesen »LGBT«, sichtbar werden kann, damit Vorurteile abgebaut werden. Natürlich weiß man um die konservative Einstellung vieler Singapurianer – hier kommt dem Autor unweigerlich das Wortspiel »Singa-Puritaner« in den Sinn –, aber sieht auch das Gefahrenpotenzial, das Vorurteile und Bigotterie auf die sozialen Verhältnisse im Stadtstaat haben kann.

Denn immer noch wird das Bild der Nicht-Heterosexuellen von Vorurteilen und falschen Vorstellungen geprägt, immer noch regiert die Bigotterie. Deshalb will »Pink Dot« offen sein für alle Interessierten, egal welcher sexuellen Orientierung sie auch sein mögen. Die Farbe Pink, erklären die Organisatoren, ist die Mischung der beiden Nationalfarben Weiß und Rot und soll zeigen, wie bunt und gemischt der moderne Tigerstaat sein kann, wenn die christlich-fundamentalen Kreise nicht wären. Dazu üben sie nach wie vor einen zu großen Druck auf den Staat aus.

Schade, dass Ausländer am 1. Juli nicht im Hom Ling Park anwesend sein dürfen. Aber in Gedanken ist die weltweite Community dabei!

Bild: surveying.

Written by Matthias Gerschwitz

Matthias Gerschwitz, Kommunikationswirt, ist seit 1992 in Berlin mit einer Werbeagentur selbständig. Seit 2006 schreibt er Bücher zu verschiedenen Themen (»Ich erzähle gerne Geschichte anhand von Geschichten«); vorrangig wurde er aber mit seinen Büchern über HIV (»Endlich mal was Positives«) bekannt. Matthias hat schon in der Vergangenheit gelegentlich und aus aktuellem Anlass Artikel für Queerpride verfasst. Anfang 2015 ist er fest zum »netzdenker«-Team gestoßen.

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