„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ Das sagt Artikel 6 Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes, und die laufende Diskussion um die Homo-Ehe mit allen Rechten und Pflichten hat gezeigt: Dieser Artikel bietet Raum für Interpretationen, weil nicht klar definiert ist, was denn der Begriff „Ehe“ im Kern ausmacht.
Vor allem Konservative meinen, dieses Vakuum kompetent ausfüllen zu können, denn für sie ist klar: Hier geht es um Ehe und Familie, und diese beiden Institutionen bestehen nun mal aus heterosexuellen Menschen.
Was ist die „Ehe“ denn im Kern?
Das hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) selbst einmal festgestellt, allerdings im längst vergangenen Jahr 1959: „(…) Ehe ist auch für das Grundgesetz die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur grundsätzlich unauflöslichen Lebensgemeinschaft. Dieser Ordnungskern der Institute ist für das allgemeine Rechtsgefühl und Rechtsbewusstsein unantastbar!“ Genau das stimmt nun nicht mehr, das Karlsruher BVerfG – so könnte man es formulieren – betrachtet die Bestandteile einer Ehe inzwischen gewissermaßen „neutral“. Zeiten ändern sich eben, was sich auch in Veränderungen in der Gesetzgebung niederschlägt und niederschlagen muss (in jenem Jahr 1959 war im „Bürgerlichen Gesetzbuch“ übrigens festgeschrieben, dass nur die Väter die letztendliche Entscheidungskompetenz bei Angelegenheiten haben, die ihre Kinder betreffen). Und damit ist es zum Schreck der konservativen Kräfte in diesem Land sehr wahrscheinlich, dass das BVerfG demnächst auch den Weg für ein Adoptionsrecht für homosexuelle Frauen und Männer freimachen wird. Daran knabbern schon jetzt ewiggestrige Politikerinnen und Politiker, und als ob die Diskussion über ein Adoptionsrecht für Schwule und Lesben nicht schon genug Zumutungen für sie darstellt, werden zunehmend auch Debatten darüber geführt, welche Rolle denn Transsexuelle da einnehmen (müssen).
„Alle Menschen sind gleich!“ Das gilt auch für Trans- und Intersexuelle!
Die mehrfache Aufforderung der Karlsruher Richter an die Adresse der unionsgeführten Bundesregierung, wonach alle (!) Diskriminierungen in den Gesetzestexten zu beseitigen sind, lässt nun auch die Transen hoffen. Doch damit nicht genug: Wie etwa soll der Gesetzgeber mit Menschen umgehen, die verheiratet sind, während der Ehe ihr Geschlecht ändern, sich aber nicht scheiden lassen wollen? Anders formuliert: Kann ein Mann, der während der Ehe zur Frau geworden ist, als Frau rechtlich anerkannt werden, obwohl er/sie doch mit einer Frau verheiratet ist? CDU/CSU/FDP wollten diese Möglichkeit verhindern, doch auch hier nahmen die Verfassungsrichter eine andere Position ein: Der Artikel 6 des Grundgesetzes stellt für sie auch Transsexuelle unter den „besonderen Schutz“. Soweit so gut. Bleibt bei alledem aber auch noch eine andere wichtige Frage offen: Bedeutet dieser „besondere Schutz“ auch, dass Menschen gleichen Geschlechts, die in einer Ehe/Lebenspartnerschaft leben, mehr steuerliche Vergünstigungen bekommen müssen als bisher? Und wie soll der Gesetzgeber mit einer weiteren Gruppe umgehen, den intersexuellen Menschen? Erste Forderungen in der Politik werden laut, bei Menschen, die weder Mann noch Frau sind beziehungsweise sein wollen, das Geschlecht „Anderes“ einzuführen, was die zu Beginn dieses Textes bereits erwähnten Konservativen nun vollends in die Verzweiflung treibt. Wie dem auch sei – es gibt noch vieles zu klären, weil der Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes und die Menschenrechtserklärung eben von Menschen spricht. Alle Menschen also sind gleich, und kein Heterosexueller und keine Frau ist also gleicher als ein Homosexueller oder ein Mann. Daraus folgt: Bei den Richterinnen und Richtern des BVerfG wird in den nächsten Monaten und Jahren sicher keine Langeweile aufkommen. Und das ist auch gut so.
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