Weder Mann, noch Frau. Wer sich in seinem Geschlecht grundsätzlich wohl fühlt, vermag sich nur schwer in Menschen hineinzuversetzen, denen es nicht so ergeht. Regisseur Tom Hooper ist jetzt mit The Danish Girl eine äußerst gefühlvolle Verfilmung des Lebens der in den 1920er Jahren als intersexuell diagnostizierten Lili Elbe gelungen. Der Film gibt einen intimen Einblick in das Leben des weltweit ersten geschlechtsoperierten Menschen, das auf äußerst tragische Weise sein Ende fand.
Wer sich nicht seinem offensichtlichen Geschlecht gemäß verhielt, galt bis weit in unsere Zeit hinein zum Teil als pervers, mindestens aber als psychisch gestört und irgendwie auffällig. Umso diskreter inszeniert Hooper seinen Protagonisten Einar Wegener, gespielt von Eddie Redmayne, dem es erst durch die liebevolle Unterstützung seiner Ehefrau Gerda möglich ist, sich selbst als Lili zu entdecken und anzunehmen. Von Perversität ist dabei keine Spur. Stattdessen wird der Zuschauer Zeuge einer bedingungslosen Liebe, die kein Geschlecht zu kennen scheint.
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Gerda, dargestellt von Alicia Vikander, fasziniert die feminine Seite ihres Mannes, seit sie ihn an der Kunsthochschule getroffen hat. Noch bevor Einar zum ersten Mal überhaupt in ein Frauenkleid geschlüpft ist, hat sie ihren Mann schon mit betont weiblichen Zügen gemalt. Mit ihren für diese Zeit ungewöhnlichen Bildnissen erfährt sie plötzlich die Anerkennung, die sie sich schon immer gewünscht hatte. Ein bekannter Kunsthändler ist bereit, die Werke zu vermarkten. Wer die unbekannte Schöne auf den Gemälden aber ist, will sie ihm nicht verraten.
Einar kann nur noch Lili sein, Ärzte sollen helfen
Immer häufiger und mit der Zeit auch immer mutiger inszeniert das Künstler-Ehepaar in seinem Wohnatelier Einars feminine Verwandlung hin zu Lili. Auf Gerda wirkt es zunächst wie ein harmloses Spiel und man möchte glauben, dass es Einar ebenso geht. Erst allmählich versteht er, wie sehr er sich nach dem Rollenwechsel sehnt. Bald sieht er sich nicht mehr in der Lage, als Einar den Tag zu verbringen, obwohl er sich das so fest vornehme, wie er später einem Psychiater gesteht. Zu sehen ist ein Konflikt, wie ihn wohl jeder transsexuelle Mensch nachempfinden kann.
Bin ich homosexuell? Oder gar pervers? Die Suche nach Antworten ist noch heute keine einfache und sie war es erst recht nicht in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Emanzipation von Homo- und Transsexuellen vorsichtig ihre ersten Anfänge nahm. Diesen Aspekt zeichnet The Danish Girl besonders gut nach. So begegnet Einar einer ganzen Reihe von Ärzten, die ihm schließlich doch nicht helfen können und ihm einreden wollen, er seie krank. Dem entgegen steht seine einzige Verbündete im Kampf mit sich selbst, seine Ehefrau Gerda, die das Urteil der Ärzte und vielleicht auch das ihres Mannes über sich selbst nicht akzeptieren will.
Der deutsche Arzt Kurt Warnekros führt erste Trans-OP der Geschichte durch
Versuche mit einer kuriosen Strahlentherapie bleiben ohne Erfolg. Erst als Einar und Gerda in Paris dem Dresdener Arzt Kurt Warnekros begegnen, ändern sich die Dinge. Er kenne einen anderen Mann wie ihn, es gebe die Möglichkeit einer Operation, die aus ihm eine Frau machen würde. Plötzlich gelingt es Einar, neue Hoffnung zu schöpfen. Zu diesem Zeitpunkt spricht ihn Gerda bereits wie selbstverständlich mit seinem weiblichen Namen an.
Je mehr sich Einar seiner weiblichen Identität bewusst wird, umso stärker verändert ihn diese Erkenntnis in seiner Beziehung zu seiner Frau Gerda. Sie ist ihm durchgängig eine enge Vertraute, doch ihre Loyalität wird auf eine harte Probe gestellt, als Einars Liebe aus Kindertagen, die in einem zögerlichen Kuss ihren Ausdruck fand, wieder auftaucht: Es ist sein Freund Hans, der ihn in all den Jahren nicht vergessen hat.
Viele internationale Filmkritiker schätzen, dass Darsteller Eddie Redmayne mit The Danish Girl ein echter Anwärter auf den Oscar sein könnte. Zu sehen ist der Film in Deutschland ab dem 7. Januar 2016 im Kino. Den Trailer gibt es vorab schon hier: