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Die AfD, der Rechtspopulismus und die Homophobie

Beatrix von Storch AfD
© AfD

Wofür steht eigentlich die “Alternative für Deutschland” (AfD) im Detail? Klar ist, dass diese Partei gegen den Euro ist, sich ein souveränes Deutschland herbei träumt und es dabei auch schon einmal zulässt, dass bei öffentlichen Parteiveranstaltungen verwirrte AfD-Fans offen darüber sinnieren, ob die Deutschen auf der Grundlage des Artikels 20 des Grundgesetzes nicht auch einen bewaffneten Widerstand gegen die Regierung leisten könnten.

Wo aber kann die AfD politisch verortet werden? Rechts, links, mittig? Das ließe sich mit Blick auf die gesellschaftspolitischen Ansichten dieser Partei beantworten. Welche Haltung etwa hat die AfD zu Homo-, Bi- und Transsexuellen?

Die Recherchen zum nachfolgenden Beitrag verweisen im Wesentlichen auf zweierlei: Dass die AfD in ihren Reihen Rechtspopulismus duldet und womöglich auch aktiv fördert. Und das prominente Teile der AfD sehr wohl homophob sind, was Parteichef Lucke und andere AfD-Größen ja allzu gerne bestreiten.

Die Gaststätte Alter Krug in Berlin-Dahlem ist so gediegen wie die Gegend, in der sie liegt. Ein idealer Ort für eine Veranstaltung der Partei “Alternative für Deutschland” (AfD), die sich ja gerne einen konservativen Anstrich verpasst. Nur die primitiven Zeichnungen splitternackter Frauen, die in Silberrahmen an den Wänden hängen, mögen da nicht so recht passen.

“Gleich rechts!” müsse man gehen, sagt die Tresenkraft, da finde die von der AfD initiierte Diskussion statt. Im Saal dann rund 80 Interessierte, sie stellen sich einander vor mit Sätzen wie “Ich bin Rechtsanwältin a. D.!”, oder “Ich war Major der Bundeswehr!” Aber auch ein paar junge Leute sind da, einer trägt ein T-Shirt, mit einem Aufdruck des Logos der Heavy Metal-Band Judas Priest. Sie alle freuen sich sichtbar und hörbar auf den Herausgeber von “Compact.

Das Magazin für Souveränität”, Jürgen Elsässer, wobei man bei einer kritischen Lektüre dieses Hefts keinerlei Souveränität erkennen kann, dafür aber eine Anhäufung rechtspopulistischer Inhalte sowie einigen reichlich sonderbar wirkenden Verschwörungstheorien. Doch die AfD schert das an diesem Abend nicht, und sie hat die Messlatte in ihrer Einladung ziemlich hochgelegt:

Elsässer sei der erfolgreichste Publizist Deutschlands – drunter macht’s die AfD nicht, und Elsässer widerspricht dieser Art der Vorstellung seiner Person auch nicht. Dafür verweist er in seiner Rede immer mal wieder auf die große Bedeutung seines Magazins, was der Veranstaltung ein wenig Kaffeefahrtstimmung verleiht.

Anhänger der „Professorenpartei“ AfD applaudieren, wenn Elsässer Unsinn redet

Jürgen Elsässer ist eine Art Spiritus rector, man könnte ihn wohl auch als AfD-Flüsterer bezeichnen. AfD-Leute hängen an seinen Lippen, und egal, was er ausführt, aus dem Publikum vernimmt man regelmäßig Sätze wie “Hab ich schon immer gesagt!” oder “Genau so ist es!” Diese Ausbrüche kann man zumeist dann vernehmen, wenn Elsässer Russlands Präsident Wladimir Putin in Schutz nimmt und die Amerikaner im Gegenzug verurteilt.

Es scheint auch niemanden zu verwundern, dass Elsässer von links nach rechts schon alle möglichen Karrieren hingelegt hat. Einst war er Redakteur bei linken Medien wie konkret oder Junge Welt, jetzt veranstaltet das von ihm herausgegebene Compact-Magazin sehr souverän Tagungen, bei denen Leute wie Eva Herman oder Thilo Sarrazin ihre kruden Thesen verbreiten können und auf denen sogar Duma-Abgeordnete Lobeshymnen über Putin und seine Familienpolitik ertönen lassen dürfen, welche mit der Homophobie in Russland automatisch einher gehen.

Seine Anhänger werten Elsässers Lebenslauf als Basis für eine vermeintlich weltläufige Kompetenz, die er sich so zu Eigen machen konnte. Etwas schelmisch könnte man auch sagen, der Mann sei fürchterlich beliebig. Doch das Publikum im Alten Krug, das von Elsässer etwas über die Notwendigkeit eines souveränen Deutschlands hören will, ist weitgehend unkritisch.

Sie lassen es locker durchgehen, als der frühere Kommunist Elsässer davon redet, dass uns “Banden und Schlepper überfluten.” Sie wundern sich auch nicht, wenn Elsässer die Bundeskanzlerin indirekt zur Drahtzieherin einer Razzia bei der Deutschen Bank macht, weil Frau Merkel angeblich eine Äußerung des Vorstandsvorsitzenden Fitschen nicht gepasst habe.

Elsässer springt in seiner Rede munter von Bismarck zu Helmut Schmidt und Willy Brandt, dann wieder zurück zu Ernst Thälmann und den Romanovs, um so irgendwann bei Helmut Kohl und Sarah Wagenknecht zu landen. Dazwischen immer wieder Putin.

Er zitiert Sätze dieser Persönlichkeiten, die seine Thesen unterstreichen sollen, jedoch ist nichts aber ist in diesem Moment wirklich nachprüfbar. Und wenn die Zitate denn wirklich stimmen sollten, dann hinterfragt keiner, in welchem Kontext Kohl, Bismarck & Co. dieses und jenes von sich gegeben haben, was innerhalb einer seriösen Rede nicht fehlen darf, hier aber fehlte.

An der einen oder anderen Stelle wird kräftig applaudiert, selbst dann, wenn Elsässer seine reinen Parolen vom Stapel lässt (“Deutschland sitzt am Katzentisch der EZB!”). Und immer dann, wenn kräftig applaudiert wird, schaut Elsässer ein wenig entrückt auf sein Manuskript und streicht sich dabei etwas theatralisch die grauen halblangen Haare hinter das Ohr.

Das macht er auch dann, als er einem Zwischenrufer allen Ernstes recht darin gibt, wonach es 1989 “keine Wiedervereinigung gegeben hat.” Elsässers Replik: “Sie haben vollkommen recht!” Und dann spricht er über seinen “Wahlspruch”, wonach man “alles” unterstützen müsse, was “etablierte Parteistrukturen aufbricht.” Böse könnte man einwenden, dass man sich bei einem solchen “Wahlspruch” auch in der NPD engagieren kann. Die will das nämlich auch.

Hat queer.de wirklich zur Gewalt aufgerufen? Elsässer behauptet das!

Homosexualität kommt in Elsässers Rede nicht vor, sehr wohl aber in der anschließenden Fragerunde. So sprach er in seiner Rede zuvor davon, die AfD sei “die Partei des gesunden Menschenverstandes”, und sie müsse “sich als Vertreter des ganzen Volkes präsentieren.”

Eine Steilvorlage für die, die wissen wollen, wie die AfD denn nun wirklich zur Lebenswirklichkeit der Homosexuellen steht, die ja zweifelsohne auch zum Volk gehören. Kaum war die Frage gestellt, tönt es im Publikum “Das interessiert hier keinen!” oder “Hören Sie auf!”

Ein Teilnehmer betont, er fühle sich “belästigt”. Der Autor dieses Beitrags wiederum wollte wissen, warum im November 2013 bei dem Anti-Homo-Kongress in Leipzig, den Compact und damit Elsässer organisiert hatte, homosexuelle Medien bei der Akkreditierung das Nachsehen hatten.

Elsässer, der erfolgreichste Publizist Deutschlands, antwortete, man wisse ja, dass “Journalisten Kartenjäger sind”, und im übrigen habe ein Homo-Medium, queer.de nämlich, im Vorfeld zu gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgerufen.

Beatrix von Storch sondert gerne mal homophobe Sprüche ab

Szenenwechsel: das Café Einstein Unter den Linden in Berlin. queerpride.de trifft sich mit ehemaligen Mitarbeitern der Onlinezeitung DIE FREIE WELT beziehungsweise des Vereins Zivile Koalition e. V., und was sie zu berichten haben, wirft einiges an Fragen auf. Der eine der beiden will anonym bleiben, der andere erlaubt es uns, dass wir seinen Namen nennen:

Daniel Fallenstein, Ex-Chefredakteur von DIE FREIE WELT, eine Art rechtspopulistische Kampfpostille der AfD. Herausgeber ist Sven von Storch, der Ehemann von Beatrix Amalie Ehrengard Eilika von Storch, geborene Herzogin von Oldenburg, ihres Zeichens AfD-Funktionärin und Kandidatin für einen Sitz im künftigen Europaparlament.

Auch ist sie Vorsitzende der Zivilen Koalition e. V., welche wiederum unter anderem durch die Herausgabe der FREIEN WELT finanziert wird, bei der Aufmacher auf der ersten Seite auch schon mal lauten: “HIV-infizierter Homosexueller droht Katholik mit Ansteckung durch Nadelstich”.

Daniel Fallenstein hat das Blatt verlassen, nachdem das Ehepaar von Storch verlangt hatte, einen Artikel gegen Homosexuelle zu schreiben, der dann von den von Storchs auch noch eigenhändig verschärft und zugespitzt wurde. So war es zum Beispiel im Fall der angeblichen Bedrohung eines Katholiken, gemeint ist hier der Publizist Martin Lohmann, durch einen angeblich HIV-infizierten Homosexuellen.

Es habe, so Fallenstein, lediglich eine anonyme Drohung via Mail an Lohmann gegeben, der Wahrheitsgehalt wurde von der Redaktion nie überprüft beziehungsweise gegenrecherchiert. Trotzdem habe man diese Geschichte reißerisch veröffentlicht und Sven von Storch lobte das Gesamtergebnis als “gute Redaktionsarbeit”, so Fallenstein.

Das Blatt schreckt auch nicht davor zurück, den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann als Folge seiner Pläne, den Aspekt “Sexuelle Vielfalt” stärker in den Schulen zu verankern, unverblümt in die Nähe von Pädophilen zu rücken. Und es gibt noch mehr Hinweise darauf, dass Frau von Storch, die zwei Anfragen von queerpride.de nicht beantwortet hat, ein Problem mit Homo-, Bi- und Transsexuellen zu haben scheint.

Im persönlichen Gespräch und in kleineren Runden, so ein weiterer Informant, äussere sich Frau von Storch abfällig über LGBT-Menschen. Als ihr ein Mitarbeiter einmal eine Transsexuelle als mögliche Kooperationspartnerin für die Zivile Koalition e. V. vorgestellt hat, habe Frau von Storch diesem Mitarbeiter deswegen heftige Vorwürfe gemacht.

Man könne sie doch nicht “mit solchen Leuten” zusammenbringen. Und was sagt die AfD-Galionsfigur, der einstige IBM-Chefmanager und Industriepräsident Hans-Olaf Henkel, zum Thema Homosexualität? Als Henkel danach gefragt wurde, ob die AfD wirklich schwulenfeindlich sei, antwortete er: “Sollen Herr Lucke (der AfD-Chef – die Red.) und ich etwa unsere Verlobung bekanntgeben?” Da, ja da war das Gelächter groß.

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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