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Weder Mann noch Frau: Das dritte Geschlecht

dritte Geschlecht Intersexuelle

Das dritte Geschlecht ist ein Phänomen, das immer mehr in den Fokus der Gesellschaft rückt. Was aber bedeutet es konkret für Menschen, weder Mann noch Frau zu sein? Sind sie auch rechtlich vollkommen anerkannt?

Schon Platon kannte das dritte Geschlecht

Das Onlinelexikon „Wikipedia“ definiert das dritte Geschlecht als ein Phänomen, bei denen Personen sich nicht in das klassische zweifache Geschlechtssystem einordnen lassen. Geprägt wurde die Bezeichnung im deutschsprachigen Raum vom Schriftsteller Ernst von Wollzogen zum Ende des 19. Jahrhunderts hin in seinem Roman Das dritte Geschlecht, in dem allerdings eine bisexuelle Person beschrieben wird. Das dritte Geschlecht wird schon in Platons Symposium beschrieben, wo der Komödiendichter Aristophanes von „Kugelmenschen“ spricht, die sich in ihrer Form nicht festsetzen lassen. Manche „Kugelmenschen“ seien rein männlich, andere rein weiblich, andere wiederum androgyn, hätten sowohl eine männliche als auch eine weibliche Seite. Anderswo werden solche Menschen als „homines tertii generis“ bezeichnet, als Menschen des dritten Geschlechts eben.

Das dritte Geschlecht – in Indien normal

Die Philosophin und Schriftstellerin Simone de Beauvoir (1908 bis 1986) war der Ansicht, dass Frauen nach ihrer Menopause, in der sie ihre Empfängnisfähigkeit verlieren und die Sexualität zeugungsunfähig werde, als „drittes Geschlecht“ einzustufen seien. Heute, so führt es „Wikipedia“ wiederum weiter aus, arbeiten insbesondere Anhänger der „Queer Theory“ und der Transgender-Bewegung mit dem Begriff „drittes Geschlecht“. Für sie sei die Existenz eines dritten Geschlechts neben „Mann“ und „Frau“ als vollkommen üblich und normal anzusehen. So, wie es bei den „Hijras“ in Indien ist, bei den „Berdachen“ in amerikanischen Indianerstämmen oder den „Kathoey“ in Thailand. Besonders in asiatischen Ländern ist das dritte Geschlecht ein fester und überall sichtbarer Bestandteil der Kultur und gar des Alltags. Auch in südamerikanischen Staaten, hier ist insbesondere Mexiko zu nennen, treten Menschen mit dem dritten Geschlecht immer häufiger und selbstbewusster auf.

Gesetze: Intersexuelle im Notstand

In etlichen Staaten, so etwa in Australien, Neuseeland oder Nepal, ist das dritte Geschlecht inzwischen gesetzlich anerkannt und kann als solches in Dokumenten eingetragen werden. In Indien – hier bekennen sich 500.000 Menschen zu ihrem dritten Geschlecht – existiert gar ein Spruch des Obersten Gerichtshofs, wonach das dritte Geschlecht vollkommen gleichwertig mit „Mann“ und „Frau“ zu bewerten sei. In Deutschland gilt die juristische Anerkennung eines dritten Geschlechts seit dem 1. November 2013. Hier können sich „Betroffene“ etwa beim Standesamt als „inter/divers“ (im angelsächsischen Raum „Indeterminate/Intersex/Unspecified – die Red.) einstufen lassen, Geburtsurkunden müssen auf Wunsch eines Menschen mit einem dritten Geschlecht entsprechend abgeändert werden. Die Problematik ist in Deutschland übrigens nicht neu, bereits im „Allgemeinen Landesrecht“ von Preußen gab es vier Paragraphen, die sich juristisch mit „Zwittern“ beschäftigten. Ein Selbstbestimmungsrecht, so wie es hierzulande die Gesetze inzwischen vorschreiben, war ihnen damit allerdings ausdrücklich nicht erteilt worden. Dem ist heute so – zumindest vom Grundsatz her. Zwar hat der Ethikrat nach entsprechenden Recherchen im Auftrag der Bundesregierung im Februar 2012 einmütig empfohlen, eine dritte Geschlechtskategorie einzuführen, doch viele Menschen mit einem dritten Geschlecht bemängeln, dass sich seitdem wenig getan habe.

Neue Piktogramme an Toilettentüren

Ein Beispiel: Der im vergangenen Jahr neu im „Personenstandsgesetz“ eingeführte Paragraph 22 Absatz 3 regelt für den Fall der Geburt eines intersexuellen Kindes: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“ So weit, so gut. Doch ist ungeachtet dessen weiterhin eine sogenannte „Verwaltungsvorschrift“ gültig, in der steht, dass Eintragungen wie „intersexuell“ unverändert unzulässig sind. Etliche Standesämter ziehen diese „Verwaltungsvorschrift“ heran in der Hoffnung auf höchstrichterliche Sprüche, die diese Vorschrift dann irgendwann zur Makulatur werden lassen. Das ist insofern unverständlich, weil selbst die Vereinten Nationen (UN), hier insbesondere der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen klargestellt hat, dass das dritte Geschlecht „auf allen Ebenen“ anzuerkennen sei, und darüber hinaus „geschlechtszuweisende Operationen“, wie es sie bis vor kurzem auch noch in europäischen Staaten gab, ein Verstoß gegen Artikel 16 den Menschenrechtskonvention ist, der die Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch sicherstellen soll. In der Folge geht das soweit, dass künftig neue Piktogramme für Toilettentüren oder Umkleidekabinen in Schwimmbädern geschaffen werden müssen. Betroffen sein wird dann auch jegliche Quotendiskussion in den Parteien und Unternehmen, wenn Intersexuelle dies verlangen. Eine Quote nur für die Frau kann es dann nicht mehr geben.

Bild: © queerpride.

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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