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Homophobie: Will Thilo Sarrazin französische Verhältnisse?

Thilo Sarrazin
Thilo Sarrazin

Nachdem Thilo Sarrazin (SPD) in einem Interview Homosexuelle als „Tunten“ bezeichnet und sich gegen die Homo-Ehe ausgesprochen hat queerpride.de berichtete, bereitet der Ex-Finanzsenator von Berlin offenbar „französische Verhältnisse“ in Deutschland vor. In Frankreich gab es in den letzten Monaten massive und zum Teil gewalttätige Proteste gegen die „Ehe für alle!“.
Sarrazin ist offenbar der Ansicht, dass Deutschland sich nicht nur mit all seinen Ausländern selbst abschafft, sondern auch durch staatliche Fördermaßnahmen, von denen homosexuelle Frauen und Männer profitieren. In einem Interview mit dem bislang weitgehend unbekannten und rechtspopulistischen Magazin „Compact“, in dem Sarrazin auch von „Tunten“ spricht, sagte er, dass staatliche Familienpolitik sich auf die Lebenspartnerschaft zwischen Mann und Frau konzentrieren müsse. Auf der Grundlage dieser Haltung werden Sarrazin die zum Teil gewaltsamen Proteste in Frankreich gut gefallen haben, Proteste, die nun auch nach Deutschland herüber schwappen sollen. Den Beginn soll ein Kongress im November in Leipzig machen, wo Sarrazin gemeinsam mit Ex-Tagesschau-Sprecherin Eva Herman und dem CSU-Bundestagsabgeordneten Norbert Geis gegen die Homo-Ehe wettern will. Herman wurde von der ARD entlassen, weil sie positive Elemente in der Familienpolitik der Nationalsozialisten betonte. Geis indes ist schon Anfang der 1990er Jahre durch homophobe Äußerungen aufgefallen. Veranstalter des Kongresses: Eben jenes Magazin, das Sarrazin interviewt hat. Gerüchten zufolge will auch der Publizist Peter Scholl-Latour nach Leipzig reisen, was sein Büro „queerpride.de“ nicht bestätigen wollte. Die Gay-Szene reagiert gelassen auf Sarrazins Ausfälle und bezeichnet dessen Aussagen als „lächerlich, beleidigend, unwürdig und sachlich falsch“, so der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) in einer Verlautbarung. Berlins SPD-Chef Jan Stöß empfahl seinem Parteifreund Sarrazin den Wechsel in die NPD.

Foto: © Magnus Manske /CC-BY-SA 2.0 (via Wikimedia Commons)

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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