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Happy Ending einmal anders…

Es sollte fuer uns alle ein Happy Ending geben. Die Frage ist dabei natürlich, was wir uns eigentlich vom Leben wünschen und wie dieses Happy Ending aussehen sollte. 

Während einige Menschen über andere sagen, dass sie niemals genug bekommen, habe ich schon sehr früh erkannt, dass es auf den jeweiligen Abschnitt in unserem Leben ankommt. Wenn man jünger ist, dann ist es sicherlich immer etwas leichter, glücklich zu sein während man in späteren Jahren erkennt, welche Träume sich für einen nicht erfüllt haben.

Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der man mir sagte, dass ich später Bauer werden und den Hof meiner Eltern übernehmen sollte. Wie jeder andere schwule Teenager, der sich in der Situation befunden hätte, hatte ich jedoch bereits seit meiner Grundschulzeit gewusst, dass das Leben auf dem Bauernhof mich nicht glücklich machen würde. Und so wurde irgendwann aus dem „Small Town Boy“ ein „City Boy“, der nach seinem Abschied von Deutschland, wie so viele andere schwule Männer auch im Londoner und New Yorker Nachtleben jede Menge Abwechslung finden würde.

Das war in meinen 20ern und 30ern und irgendwie wollte die Party in meinem Leben kein Ende nehmen. Wenn ich an diese Jahre denke, als ich am Samstagabend voller Vorfreude in die Londoner Tube oder New York Taxis einstieg und mich auf den Weg zu den Partys machte, dann bereue ich nichts. Auf Partys zu gehen, bedeutete auch oft Leute zu treffen, die keine großen Erwartungen an einen hatten. Wir alle wollten Spaß haben, bevor uns am Montagmorgen wieder die harte Realität treffen würde.

Mein letztes Jahr in London war  eine Zeit, in der ich angefangen hatte, mich für das Ballett zu begeistern und das Talent der anderen zu bewundern. Meine Freunde und mich haben damals diese Abende sehr glücklich gemacht; wir sahen uns viele Vorstellungen an, hatten tolle Plätze und tranken Champagner in den Pausen. Als ich später nach New York zog, wurde ich Patron des New York City Ballett und Freund von vielen Ballett Tänzern und Teil einer Welt, die mich noch heute begeistert.

So wie viele andere auch genoss ich später meine Freiheit, wenn ich auf Reisen ging. Nach meinem Umzug nach New York verbrachte ich viel Zeit in Süd Amerika und fand in Buenos Aires gute Freunde, so dass ich immer wieder nach Argentinien flog. Aber diese Freiheit sollte stark eingeschränkt werden, als ich im September nach dem eher weniger glücklichem Ende einer Beziehung nach Machu Picchu in Peru reiste und auf dem Berg Putu Cusi die Entscheidung traf, dass es Zeit wurde, eine Familie zu gründen.

Was habe ich seit der Geburt meiner Tochter gelernt? Ich denke, dass Kinder ebenso wie Beziehungen nicht unbedingt eine Garantie für ein permanentes Glücklichsein sein werden. In den ersten zwei Jahren war ich eigentlich nur müde, das lag aber auch daran, dass ich mich anfangs von meinem alten Leben nicht ganz verabschieden wollte. Aber ich sehe mich noch heute durch New York City rennen, um das Kind rechtzeitig von der Kita abzuholen, da man sonst für jede Minute, die man zu spät war 1 US-Dollar Strafe zahlen musste.

Ich erinnere mich auch daran, für meinen Wall Street Job etliche Wochenenden im Office verbracht oder von Zuhause aus nachts gearbeitet zu haben. Während ich das Fitness-Studio nie aufgegeben hatte und immer einer dieser Yummy Daddys sein wollte, hörte ich irgendwann auf, mir neue Klamotten zu kaufen, was früher nie passiert wäre. Erst als mir ein Lifestyle Magazin aus Berlin ein Angebot machte und meine Tochter älter wurde, fing ich an, auch wieder etwas mehr an mich zu denken.

Was das Glücklichsein der Eltern angeht, denke ich, dass das Verhalten unsere Kinder unser eigenes wieder spiegelt und auch wenn es manchmal anstrengend wird, bezeichnet meine Tochter mich heute als ihren besten Freund. Da fallen mir sofort diese Nächte ein, die wir in Fliegern nach Europa oder Süd Amerika verbracht haben. Noch heute bin ich glücklich, in diesen Momenten nicht alleine zu sein, da ich das alles schon so in jungen Jahren erlebt hatte.

Aber auch wenn ich als Vater immer für meine Tochter da bin und jeden ihrer wichtigen Momente erlebe, bin ich stolz, in den letzten Jahren zwei Bücher über die AIDS Krise und das LGBTQ Rights Movement geschrieben und durch meine Artikel meine Stimme wieder gefunden zu haben. Denn ich denke nicht, dass schwule Männer wie ich von einem Moment auf dem nächsten nicht nur auf die Vaterrolle reduziert werden möchten, auch wenn die Gesellschaft das in der Regel so gerne mit einem machen würde.

Ich habe über die Jahre gelernt, dass es eigentlich kein richtiges Happy End im Leben gibt, da sich unser Leben immer irgendwie weiter entwickelt und wir uns vom Leben unterschiedliche Dinge wünschen, wenn wir älter werden. So wie viele andere auch, musste ich seit Covid-19 auf viele Dinge verzichten, was die meisten von uns sicherlich unglücklich gemacht hat.

Das Gefühl der Freiheit ist uns genommen worden. Plötzlich konnten wir nicht mehr zum Sport, in die Disko, Shopping oder auf Reisen gehen. Die Unbeschwertheit ist zu einem Teil verschwunden, da viele von uns jeden Tag mit dem Coronavirus in einer gewissen Art konfrontiert werden. Irgendwie dreht es sich doch immer nur um dieses Thema, wenn man mit Freunden, Familie oder Kollegen spricht.

So wie viele andere auch sind meine Freunde und ich irgendwann hinter permanenten Masken verschwunden. In der Sommer Hitze New Yorks sahen wir heiße Typen mit Six Packs durch den Central Park joggend, ohne ihre Gesichter zu sehen. Die Groß Stadt scheint ein weniger anonymer geworden zu sein, als sie es bereits im Vorfeld gewesen zu sein. Und dann gibt es die Geschichten von vielen, die an Covid-19 erkrankt oder sogar gestorben sind oder liebe Menschen an dem Virus verloren zu haben.

Mein Sohn wurde Anfang Juni in Süd Amerika geboren. Da die Grenzen bis Anfang September wegen des Corona Virus geschlossen waren, befinde ich mich erst jetzt zusammen mit meiner Tochter auf dem Weg nach Kolumbien. Ich denke, dass mich gerade der Gedanke daran, dass das Gute am Ende immer gewinnen wird, geholfen hat, auch in einer schwierigen Zeit nicht aufzugeben und meinen Optimismus und Lebensfreude zu verlieren.

Und ich weiß, dass ich dieses Gefühl, das nächste vorläufige Happy End in meinem Leben zu erfahren, dann erleben werde, wenn ich meinen Sohn zum ersten Mal in meinen Armen halten werde. Denn die Umarmung eines Menschen, der zu uns gehört, egal ob das eigene Kind, unser Lover, Freunde oder Familie wird in uns allen dieses besondere Gefühl auslösen.

Und dagegen kann auch noch nicht einmal COVID-19 etwas ausrichten.

Written by Derek Meyer

Derek Meyer wird im Rahmen einer Artikel Serie über das Leben in New York schreiben. Er hatte bereits in seinem Debüt Roman „Coming Out in New York“ die Auf und Abs des Lebens in der New Yorker Gay Szene beschrieben und meldete sich knapp 2 Jahre später mit seinem zweiten Buch „Baby, Fame & Inspiration“ zurück. Beide Bücher sind auf www.tredition.de und Amazon erhältlich.

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MATTHIAS & MAXIME – Xavier Dolans mehrfach ausgezeichnetes Drama