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Gegen Homophobie und Ausgrenzung – in Russland und anderswo

© Jeff Kubina CC-BY-SA 2.0 (via Flickr Commons)

Die Vorsitzende des PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverbands Berlin e.V., Prof. Barbara John, hat unter dem Titel „Gegen Homophobie und Ausgrenzung – in Russland und anderswo“ in einem Schreiben an die Mitglieder des Landesverbands folgendes mitgeteilt.

Vor wenigen Tagen ist im Berliner Rathaus eine Tagung mit dem beziehungsreichen Titel… „Gold for equal rights“ zu Ende gegangen.

Sie war, wie es in der Ankündigung hieß, dem zunehmend repressiven Umgang mit gesellschaftlichen Minderheitengruppen in Russland gewidmet, allen voran der LGBT-Community. LGBT ist die Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Trans.

Der Zeitpunkt dieser Tagung, die von der Paritätischen Mitgliedsorganisation „Schwulenberatung Berlin“ organisiert wurde, war natürlich nicht zufällig gewählt: Vom 7. bis 23. Februar werden in der russischen Stadt Sotschi die Olympischen Winterspiele 2014 ausgetragen. Lange vor den Spielen waren in der russischen Zivilgesellschaft Debatten um Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen neu aufgeflammt. Den Hintergrund dafür gab und gibt Staatspräsident Putins selbstherrlicher Umgang mit Bürgerrechtlern ab, sein Einfluss auf die russische Justiz und – nicht zuletzt – die menschenverachtende Sicht auf Homosexualität und Andersartigkeit, die sich im russischen Staatsapparat, in der Duma, an der Spitze der orthodoxen Amtskirche und in Teilen der Medien breit macht.

Dagegen die Stimme aus eigener Anschauung und leidvoller Erfahrung zu erheben – das war das Ziel der Tagung „Gold for equal rights“ in Berlin, an der Vertreter zahlreicher russischer Bürgerrechts- und Schwulenorganisationen teilnahmen, etwa Coming Out (St. Petersburg), Gord (Novosibirsk), LaSky (St. Petersburg), LGBT Network Russia, LuBi, Rainbow Association (Moskau), Side by Side und Trans*Coalition. Finanziell möglich gemacht haben das unter anderem die Deutsche Aids-Hilfe und die Stiftung Parität Berlin, zu deren Stiftungszweck die Projektförderung Paritätischer Mitglieder gehört, etwa der Schwulenberatung Berlin gGmbH.

Wir Bürger Berlins rühmen uns gerne der Liberalität und Weltläufigkeit, die unsere Stadtgesellschaft auszeichnen soll. Diese stolzgefärbte Selbstbetrachtung ist das Eine – die Wirklichkeit, die oft ein anderes Bild zeichnet, ist das Andere. Fast täglich berichten die Organisationen, die in Berlin die Interessen der LGBT-Communities vertreten, von homophoben Anfeindungen, manchmal sind Schwule und Lesben körperlichen Attacken ausgesetzt. Gewiss – das bewundernswerte Coming-Out des ehemaligen Fußballstars Thomas Hitzelsberger hat eine Menge dazu beigetragen, Homophobie weiter zu ächten und – hoffentlich – „schwul“ oder „Schwuchtel“ als Etiketten zu verbannen, aus Fußballstadien wie aus Schulhöfen, aus Betrieben und aus Szenen. Aber ein Bodensatz an Haltungen, die dahinter stecken, scheint sich festgesetzt zu haben – befördert durch Alkohol, Gruppendruck, Bildungsmangel und eigenes soziales Ausgrenzungserleben. Homophobie unter durchgeknallten Fußballfans ist schon fast sprichwörtlich.

Homophoben Haltungen liegt wahrscheinlich ein vielgestaltiges Ursachenpaket zugrunde: der Versuch, das eigene Gefühl, ein sozialer Verlierer zu sein, auf andere Gruppen abzuwälzen und sich über sie zu erheben, sei es mit Wortradikalität, sei es mit Gewalt. Manchmal spielen auch – angebliche – religiöse oder kulturelle Überlieferungen eine Rolle, bisweilen auch die eigene sexuelle Orientierungslosigkeit. Oder einfach das Gefühl, die Deutungshoheit zu verlieren über richtig oder falsch in Liebesbeziehungen.

Gelegentlich wird homophobe Haltung sogar intellektuell verbrämt, wie uns eigenartige Nachrichten aus Baden-Württemberg zeigen, in denen es um Petitionen gegen „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ im staatlichen Bildungsplan geht und darum, dass Homosexualität, Transsexualität, Bisexualität und andere Lebensformen ausführlicher im Unterricht behandelt werden. Was ist gegen solchen Unterrichtsstoff zu sagen – außer dass er überfällig ist – in Baden-Württemberg und anderswo?

In Berlin ist es eine Selbstverständlichkeit, dass einflussreiche Paritätische Organisationen die Interessen ihrer schwulen und lesbischen Mitglieder vertreten, etwa Abqueer, Gladt, LSVD, Lesbenberatung, Mann-O-Meter oder Schwulenberatung.

Sie arbeiten jeden Tag daran, dass die eigenen Mitglieder gut repräsentiert sind und daran, dass in der Berliner Öffentlichkeit diskriminierende und homophobe Haltungen abgebaut werden. Manchmal ist es gut, dass von hier aus Stimmen gegen Ausgrenzung und Homophobie laut werden, die auch im Russland der Olympischen Winterspiele gehört werden. Ich bin sicher, dass dies nach der Fachtagung „Gold for equal rights“ so sein wird.

Herzlich, Ihre

Prof. Barbara John, Vorsitzende Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin

Written by Lisa Wagner

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