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Eineiige Zwillinge und Homosexualität

Eineiige Zwillinge. schwul?
© Carlsons /CC-BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons)

Eineiige Zwillinge und Homosexualität – die Frage, ob beide zwangsläufig dieselbe sexuelle Ausrichtung haben müssen, beschäftigt die Wissenschaft schon seit dem Ende des vorletzten Jahrhunderts.

Homosexualität ist wohl vererbbar

Leider ist es eine der Wesenseigenschaften wissenschaftlicher Betrachtungen, dass sie auch hier keine eindeutigen Antworten liefern können. Der Wissenschaftler Dr. J. Sanders hat aber bereits in einer 1934 erschienenen und streckenweise nicht sehr schwulenfreundlichen Studie für das niederländische Institut für menschliche Erblichkeitsforschung die These vertreten, wonach Homosexualität vererbbar sei.

Infolgedessen sei die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass eineiige Zwillinge gerade dann beide schwul sind, wenn der Vater es auch ist und seine Homosexualität aus welchen Gründen auch immer unterdrückt. Aktuelle Forschungen untermauern Sanders Thesen, der sich vor 80 Jahren übrigens auf den Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld berief, der ihm in einem Gespräch berichtet hatte, niemals eineiige Zwillinge gesehen zu haben, die eine unterschiedliche sexuelle Ausrichtung aufwiesen.

Eineiige Zwillinge : Gemeinsames Onanieren

Überhaupt hätten die eineiigen Zwillinge, die Hirschfeld interviewt hatte, nicht nur sehr oft das Äußere gemein, sondern auch „fast alle Charaktereigenschaften“ bis hin zum Hang zu den negativen wie Jähzorn, Alkoholmissbrauch oder Diebstahl. Die allermeisten eineiigen Zwillinge, die Hirschfeld ihre Homosexualität offenbart hatten, hätten darüber hinaus „(…) gegenseitig homosexuelle Handlungen getrieben und auch gemeinsam onaniert.“

Unterschiede gebe es allenfalls im Typus. Brüder also, wo der eine „männlicher ist und der andere einen weiblichen Einschlag hat.“ Vom Grundsatz her werden Sanders‘ und Hirschfelds Einschätzungen durch andere Studien gestützt. So hat der Forscher Franz Josef Kallmann in den 1950er Jahren 40 eineiige Zwillinge und 45 zweieiige Zwillinge befragt, von denen jeweils ein Teil behauptete, schwul zu sein.

Bei 100 Prozent der eineiigen Zwillinge, so Kallmann, sei der Bruder ebenfalls homosexuell gewesen. Kallmann und zuvor Hirschfeld waren sich also einig.

Gen für Homosexualität

1993 wiederum stellte der amerikanische Wissenschaftler Dean Hamer die These auf, wonach einiige Zwillinge „eine signifikant höhere Übereinstimmung in der sexuellen Orientierung haben als Menschen mit unterschiedlichem Erbgut.“

Es sei denkbar, so Hamer weiter, dass es einen „2X-chromosomalen Erbgang gibt“, in dem die Mutter oder der Vater auch ein Gen für Homosexualität vererben. Allerdings war Hamer in seinen Einschätzungen wesentlich vorsichtiger, als es Hirschfeld, Kallmann und Sanders waren: „Wenn ein Zwilling schwul ist, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 50 Prozent, dass der andere ebenfalls Männer bevorzugt.“

Bei zweieiigen Zwillingen liege die Wahrscheinlichkeit bei nur 15 Prozent. Dabei räumte Hamer allerdings die Vermutung ein, dass nicht alle Befragten aus Scham die Wahrheit gesagt hätten und es deshalb wohl mehr als 50 Prozent sein würden.

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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