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Alles okay, Mama kommt bald

Wenn Arabisch in Deutschland als zweite Amtssprache eingeführt wird, will ich vorbereitet sein. Arabisch für Fortgeschrittene.

Laut der scheidenden Kanzlerin gehört der Islam ja zu Deutschland. Eine durchaus logische Ansicht, wenn man sich die nackten Zahlen ansieht. Sorbisch ist zum Beispiel eine offizielle Regionalsprache. Ortsschilder im sorbischen Siedlungsgebiet werden zweisprachig beschriftet. Es gibt circa zwanzig bilinguale sorbisch-deutsche Schulen. Und das alles bei einem Anteil der Sorben an der Gesamtbevölkerung Sachsens von 0,9 Prozent und Brandenburgs von 0,8 Prozent. Insgesamt leben etwa 60.000 Sorben in Deutschland.

Betrachtet man den Bevölkerungsanteil aus arabischen Ländern in Deutschland, so betrug dieser zum Jahresende 2016 bereits zwanzig Mal so viel wie der Anteil der Sorben, nämlich knapp 1,2 Millionen Menschen. Es werden bereits Forderungen laut, Arabisch als Pflichtfach an deutschen Schulen einzuführen. Der logische nächste Schritt wäre dann, Deutsch und Arabisch als gleichberechtigte Unterrichtssprachen zu verwenden. Und Arabisch als zweite Amtssprache ist dann auch nicht mehr weit. Darauf will ich vorbereitet sein. Ich kann mit meinem Wissen der arabischen Sprache schließlich einen Beitrag leisten, mein Land als wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Partner der arabischen Welt zu empfehlen. 

Aber sind auch die Volkshochschulen auf den Ansturm deutscher Lernwilliger der arabischen Sprache vorbereitet? Und wenn nicht, wo kann man überhaupt Arabisch lernen? Da ich gewisse Qualitätsansprüche an den Unterricht hatte, musste ich mich erst einmal schlau machen. Bei „hier check ich alles“ kam ich erstaunlicherweise nicht weiter. Diese Plattform sollte ihren Slogan also um das Wörtchen „fast“ erweitern. Wenn der selbsternannte Branchenführer versagt, muss man eben auf Nischenanbieter zurückgreifen. Zum Glück bietet das Internet noch andere Seiten zum Thema Sprachkurse. Und was soll ich sagen? Es gibt tatsächlich ein breit gefächertes Angebot für das Erlernen der arabischen Sprache. Jetzt bin ich seit drei Monaten dabei und kann mit Fug und Recht behaupten, alternativ Arabisch sprechen zu können. Für nativ reicht es allerdings noch nicht.

Kostprobe gefällig? Also der Abdul ist ja mein Arbeitskollege und ein guter Freund. Er kommt öfter mal zu Besuch zu mir. Er stammt aus Ägypten. Wenn er klingelt, sage ich immer: „Marhaba Abdul, ahleen, habibti. Schlonek?“ (Hallo Abdul, ich heiße dich willkommen. Wie geht es dir?). Um mich zu ärgern, sprudelt er dann immer auf Arabisch los und ich verstehe nur „Achmachmichdochschachmatt, achmachmichdochschachmatt.“ Dann sage ich immer: „Tamam, Mama rah tiʒi baadehn.“ (Alles okay, Mama kommt bald.)

Abdul ist ein großer Freund von Sportwetten. Über dieses Thema mit ihm auf Arabisch zu diskutieren, übersteigt meine Kenntnisse. Deshalb sage ich immer nur: „Oh, haram (verboten).“ Da er fast ausschließlich auf Kamelrennen wettet, muss er natürlich auf Buchmacher ausweichen, die Sportwetten ohne deutsche Lizenz anbieten. Dann sage ich wieder: „Oh, haram (verboten).“ Dann sprudelt er Rechtfertigungen auf Arabisch los und ich sage wieder nur: „Tamam, Mama rah tiʒi baadehn.“ (Alles okay, Mama kommt bald.) 

Wenn ich mal in die unangenehme Lage kommen sollte, von einem Arabisch sprechenden Terroristen als Geisel genommen zu werden, sieht die Sache schon anders aus. Ich befürchte, dass meine Sprachkenntnisse für ein vernünftiges Stockholm-Syndrom noch nicht ausreichen. Trotzdem habe ich mir in meiner Fantasie schon folgenden Dialog zurechtgelegt:

Mohammed (nur als Beispiel für die Amris dieser Welt): „Allahu akbar.“ (Allah ist der Allergrößte.)

Ich: „Dirk nufitaski hu ‚aezam. Albayt bytk. Hl hadratuk huna li’awwal marta.“ (Bei uns ist Dirk Nowitzki der Größte. Aber fühlen Sie sich wie zu Hause. Sind Sie zum ersten Mal hier?)

Mohammed: „La, kunt huna fi aleam almadi.” (Nein, ich war schon letztes Jahr hier.)

Ich: „Mamhantk?“ (Was sind Sie von Beruf?)

Mohammed: „’iirhabiun.“ (Terrorist.)

Ich: „Atasafir kthyrana?“ (Reisen Sie viel?)

Mohammed: „Neimma, wghalbana ma takun rihlat eaml.“ (Ja, meistens sind das Geschäftsreisen.)

Ich: „’innak tahtajin ‚iilaa haqibat kabirata. lla tunsi jawaz alssifr.“ (Du brauchst einen großen Koffer! Vergiss nicht den Reisepass!)

Mohammed: „Arid dlylaan syahyaan yatakallam al’almaniata.” (Ich möchte einen Führer, der Deutsch spricht.)

Ich: „’ana asif, laqad maat balfel.“ (Tut mir leid, der ist schon gestorben.)

Mohammed (schreit): „Bismillahirrahmanirrahim Wal‘asri innalinsana lafi chusr illalladsina amanu wa ‘amilussalihati wa tawasau bilhaqi wa tawasau bissabr.“ (Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen, bei der Zeit. Wahrlich, der Mensch ist in einem Zustand des Verlusts, außer denjenigen, die glauben und gute Werke tun und sich gegenseitig zur Wahrheit und zu Geduld mahnen.)

Ich: „Tamam, Mama rah tiʒi baadehn.“ (Alles okay, Mama kommt bald.)

Ob dieser Satz verhindert, dass er seinen Sprengstoffgürtel zündet, ist ungewiss.

Und ich habe noch ein Problem. Ich bin homosexuell. Wenn Arabisch in Deutschland als zweite Amtssprache eingeführt wird, werde ich mich früher oder später auch auf Arabisch outen müssen. Schon mein Outing vor Familie und Freunden hat mich große Überwindung gekostet und ich dachte, dieser Scheiß sei durchgestanden. Und wenn ich bedenke, dass in vielen islamisch geprägten Staaten Homosexuellen die Todesstrafe droht, bekomme ich erst recht ein mulmiges Gefühl. Was, wenn wir mal einen arabisch sprechenden Bundeskanzler bekommen? Werde ich dann hingerichtet? Und macht Homosexualität um Muslime einen Bogen? 

Vermutlich nicht. Vielleicht sollte ich mir einen muslimischen Freund suchen und zu ihm sagen: „’ana ‚aeish fi ‚almanya. kunt taeish fi ‚almanya. linajeal alhab!“ (Ich lebe in Deutschland. Du lebst in Deutschland. Lass uns Liebe machen!) Und dann werde ich den Islamwissenschaftler Andreas Ismail Mohr zitieren, der Sure 30, ar-Rûm, Vers 21 so auslegt, dass auch LGBTIQ-Muslime darin eine grundsätzliche Anerkennung ihrer Liebe und Partnerschaft erkennen können. Und wenn er dann auf Arabisch lossprudelt, sage ich einfach: „Tamam, Mama rah tiʒi baadehn.“ (Alles okay, Mama kommt bald.)

Bild: Ratna Fitry auf Pixabay.

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