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„Warum keinen Roman über frauenliebende Frauen schreiben?“

Eigentlich hat die Münchner Autorin Simone Bauer immer über Lesben geschrieben. Ihre ersten Geschichten drehten sich um Willow und Tara aus „Buffy“ – und anhand dieser beiden konnte sie ihrer reinen Mädchenklasse gut erklären, was bei ihr Sache war. Aber obwohl sie immer über Lesben geschrieben hatte … hörte sie zu Beginn ihrer Zwanziger einfach auf. Ein Text über literarisches Coming-Out.

Der Grund für meinen Lesbenstop (zum Glück nicht im Privatleben) war simpel: Bevor mein erstes Buch „Ganz entschieden unentschieden“ erschien, arbeitete ich mit verschiedenen Verlagshäusern an Debütideen. Es hatte ein wenig gedauert, die richtige zu finden, und ich liebe meinen Debütroman bis heute über alles. Aber eine meiner allerersten Ideen war eigentlich, wie zwei junge Frauen sich bei einem Kochkurs verlieben. Nicht, dass mir das selbst passiert wäre – aber so ein Kochkurs hätte mir schon gut getan. Fände auch meine Küche. Daher kam jedenfalls die Inspiration. Die Idee wurde jedoch abgesägt. Meine Richtung war klar: Chicklit-Autorin. Und so gerne ich nicht allzu platte Chicklit lese – so war ich eben keine heterosexuelle Autorin.

Die Jahre und die Romane vergingen, immer mit dem Gewissensbiss, nicht wirklich zu wissen, worüber ich da gerade schrieb. Sicher, Liebe ist Liebe, aber ich merkte, wie ich vor allem um das Thema „erstes Mal“ bei meinen fiktiven heterosexuellen Pärchen herumtanzte.

Immerhin: In „Matsch-Memoiren“, in dem ich 33 Festivalgeschichten versammelt habe, gibt es da diese Liebesgeschichte vom romantischen Kennenlernen auf dem L-Beach. Diese wurde mir über ein paar Ecken zugetragen und anders als bei anderen Anekdoten in diesem Buch konnte ich sehr viel freier selbst darüber schreiben. Bis heute wird mir gesagt, dass diese Geschichte am meisten aus dem Band heraussticht.

Vorbilder aus Fernost

Ich outete mich über Jahre in verschiedensten Wellen, was stets unfassbar unspektakulär ablief. Mir ist klar, in welcher glücklichen Situation ich mich jedes Mal befand, keine Angst zu haben, komplett zu meiner Sexualität zu stehen. Für Akzeptanz in meinem Familienkreis war auch der Spoiler Alert hilfreich, nie einen Freund gehabt zu haben … Nur in der Öffentlichkeit hatte ich durch meinen Genrestempel Skrupel. Ich log nie. Denn nach meinem Traummann gefragt, sagte ich Brian Molko – eine Wahl, die ich heute noch unterstütze, ist der Placebofrontmann doch zum Anbeißen androgyn. Ich schrieb durch ihn motiviert über einen bisexuellen jungen Musiker in meinem Roman „Isarvorstadt“.

Und dann litt ich an einer kreativen Schreibblockade. Vielleicht, weil es zu viel Journalismus für mich gewesen war, vielleicht, weil ich auch zu viele blöde Erfahrungen in der Branche generell gemacht hatte. Ich kehrte zurück zu dem eigentlich ersten gleichgeschlechtlichen Pärchen, das ich je im Fernsehen gesehen hatte –Haruka und Michiru aus „Sailor Moon“. Eigentlich war mir da mit acht Jahren schon alles klar gewesen – so fasziniert war ich von dieser Femme/Butch-Dynamik, dass es ein Leichtes war, in diese Liebesgeschichte einzutauchen und Fanfiction zu schreiben. Deutsch, Englisch, explizit, lovey-dovey. In mir begann es zu arbeiten.

Im Journalismus war ich heimlich, still und leise dazu übergegangen, queere Themen aufzugreifen – auch dank „Sailor Moon“, ein Anime, der dank seiner Girlpower-Strahlkraft gut in den feministischen Bereich passte, in dem ich schon immer gearbeitet habe. Warum keinen Roman über frauenliebende Frauen schreiben? 2017 durfte ich mit einer Kurzgeschichte bei der PULS Lesereihe dabei sein, hier vereinte ich mehrere queere Charaktere („Das Leben alter Frauen“, https://www.br.de/puls/events/lesereihe/lesereihe-regensburg-simone-bauer-100.html).

Vom Großstadtdschungel aus über das Leben fernab des Großstadtdschungels

Als ich schließlich im Kino den „Eberhofer“-Krimi „Grießnockerlaffäre“ sah, war es mir kristallklar: ich wollte einen lesbischen Heimatroman schreiben. Witzig, sexy, mit so viel Tiefgang, wie das Genre es erlaubt. Natürlich wäre er nie ohne die Covid-19-Pandemie fertig geworden. Nach vier Jahren Rumgeschreibe daran wurde das Buchprojekt mein Halt. Nun erschien „Hinterm Großstadtdschungel links – Aus dem Leben einer Kleinstadtpflanze“ am 15. Juni zunächst als Hörbuch und als Taschenbuch und eBook am 1. Juli (https://www.amazon.de/gp/product/3940611700/ref=dbs_a_def_rwt_hsch_vapi_tu00_p1_i2).

Ich habe das geschafft, was ich vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Vor allem schreibe ich nicht nur über eine Frauenbeziehung, denn meine Hauptfigur Fredi hat eigentlich schon lange ein Auge auf die Polizistin Bri geworfen. Doch dann zieht aus der Großstadt die Künstlerin Sandra in die Kleinstadt und wirbelt Fredis Leben ordentlich durch. Aber ist das Liebe oder nur Lust? Und wie sieht’s mit dem Liebesleben von Fredis bester Freundin und Ex Kati aus?

Nach all der Zeit bin ich also da angekommen, wo ich mich 100% wohl fühle. Und auch, wenn ich nur dazu raten kann, zu sich selbst zu stehen, so ist es doch eine Reise und jeder muss seine eigene machen, auf seine Art und Weise.

Über die Autorin

Lesbian Carrie Bradshaw, also Autorin, Journalistin und Moderation – mit hoher Japanaffinität. Liebt es, zu reisen. Und Yoga. Veröffentlichte 2022 ihre Lesbenlovestory „Hinterm Großstadtdschungel links“ im Butze Verlag, schreibt sonst über gebrochene Herzen zu Achtziger-Jahre-Sound. Und für Schokominzeis.

Bild: Jelena Moro.

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