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Suzane im queerpride Interview

Wie erlebst du als feministische Musikerin deinen Alltag in der Musikindustrie, SUZANE?

Es ist eine tägliche Herausforderung, eine Frau in einer männerdominierten Branche zu sein. Die Mentalität entwickelt sich jedoch immer weiter zum Positiven, immer mehr Frauen werden sowohl in meinem Team als auch allgemein in der Branche integriert. Immer häufiger übernehmen Frauen Schlüsselpositionen in der Musikindustrie, z. B. als Plattenchefin, Marketingleiterin usw. Trotzdem ist für die Frauen in dieser Branche noch Luft nach oben, ob sie nun Künstlerinnen, Technikerinnen oder Angestelltinnen sind – teilweise müssen sie doppelt so hart arbeiten um das gleiche Ziel zu erreichen.

Mit „Clit Is Good“ sprichst du offen über weibliche Selbstbefriedigung. Warum war dir ein Song über dieses Thema wichtig?

Es ist mir wichtig, dieses Tabuthema in Worte zu fassen. In einer Gesellschaft, in welcher der weibliche Körper in der Regel sexualisiert und als Objekt der Begierde dargestellt wird, wollte ich auf diese Weise Frauen den Wunsch erfüllen, ihren Körper zurückzuerobern. Ich hoffe, dass alle Frauen, die „Clit Is Good“ hören, sich freier, leichter und lebendiger fühlen können.

Du sagst, du musstest dich zunächst selbst von deiner internalisierten Scham befreien, um die Worte singen zu können. Kannst du dir das erklären? Warum ist es Frauen* unangenehm, über ihren eigenen Körper und den Umgang damit zu sprechen?

Als ich „Clit Is Good“ das erste Mal in meinem Kopf sang, war ich zu schüchtern, um es wirklich laut zu singen. Und ich habe mich gefragt: Warum ist das so? Ich habe viel darüber nachgedacht und auch mit allen Frauen um mich herum darüber gesprochen. Dadurch wurde mir klar, dass unser Körper und seine Lust jahrzehntelang verleugnet wurden.

Zum Beispiel wurde die Klitoris 2005 zum ersten Mal schematisiert. Die Nichtdarstellung der weiblichen Genitalien und die Unterdrückung der weiblichen Lust sind sicherlich miteinander verbunden. Wir bringen den Frauen bei, nicht über ihre Lust zu sprechen und vermitteln in der Hinsicht viel mehr ein Schuldgefühl. Für mich war das Singen von „Clit Is Good“ stark und laut laut zu singen, war ein Ausdruck von Freiheit für alle Frauen auf der Welt.

Auffällig ist: Bei männlichen Kollegen gilt es als normal, die eigene Sexualität zu besingen. Und vor allem: Sie besingen häufig ebenfalls sehr explizit den weiblichen Körper aus ihrer Sicht, ohne dafür skandalisiert zu werden. Woher kommt die Doppelmoral aus deiner Sicht? 

Diese Doppelmoral kommt wahrscheinlich daher, dass die männliche Lust in unserer Gesellschaft anerkannt und dominiert wird. In der Pubertät wird den Jungs gesagt, dass Selbstbefriedigung ein natürlicher und ungehemmter Akt ist, während Mädchen wiederum erzählt wird, dass sie darüber schweigen sollen, weil es unangemessen wäre, offen über ihre Sexualität zu sprechen. Das bedeutet, dass männliche Künstler mehr Freiheit haben, über ihre Sexualität zu sprechen, manchmal sogar damit zu prahlen, weil sie eine gewisse Männlichkeit repräsentieren, während eine weibliche Künstlerin als provokant und ungezügelt beurteilt wird.

Welches Feedback hast du bisher auf das Statement des Songs bekommen?

Ich habe sehr viel Feedback von Frauen erhalten, die mir dafür gedankt haben, dass ich laut ausgesprochen habe, was Frauen denken! „Clit Is Good“ laut zu singen, hat vielleicht dazu geführt, dass sich einige von ihnen freier, selbstbewusster, lebendiger fühlen…

Mit deiner Musik engagierst du dich ebenfalls für die Abbildung der LGBTQ*-Szene. Frau* ist für dich, wer sich als Frau* identifiziert. Damit schließt du ebenfalls Non-binäre Menschen und Trans-Frauen ein. Bist du optimistisch, was den Fortschritt von Akzeptanz in der Gesellschaft angeht?

Für mich gilt: Wenn man sich innerlich als Frau fühlt, ist man auch äußerlich eine Frau. Es gibt nicht nur die eine Art, eine Frau zu sein. Der Wert von Frauen liegt in ihren Unterschieden. Ich hoffe, dass sich die Gesellschaft weiterhin mit großen Schritten weiterentwickelt, damit alle frei sein können, so wie sie sind!

Was nimmst du aus deinen vielen Jahren Aktivismus mit?

Ich habe immer das Gefühl, dass ich mich noch mehr engagieren könnte, dass es nie genug sein wird, wenn ich sehe, wie die Welt um mich herum immer verrückter wird. Ich setze Hoffnung in Lieder, und selbst wenn sie die Welt nicht retten, können sie vielleicht Menschen wie mich heilen, die nicht immer verstehen, was da vor sich geht.

Was war der bisher schönste Moment deiner Karriere?

Es ist schwierig, einen einzelnen Moment zu nennen… Ich denke, was einen großartigen Moment ausmacht, ist eine Abfolge von vielen Ereignissen, wie in einem Film… manchmal bekommen Momente, die zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht wichtig erscheinen, erst im Nachhinein ihre wahre Bedeutung… und boom – da ist der Höhepunkt!

“Follow your Sound” ist der Titel deiner Kampagne mit Teufel. Was bedeutet das für dich in Bezug auf Akzeptanz und Selbstfindung?

„Follow your sound“ hat mich sofort begeistert. Ich dachte an diese innere Stimme, die uns zu unseren Intuitionen führt. Manchmal fällt es uns schwer, auf sie zu hören, manchmal bringen wir sie sogar zum Schweigen, um uns an das Leben, die Gesellschaft und andere anzupassen… Aber wenn wir besser auf diese innere Stimme hören und uns von ihr leiten lassen würden, fänden wir vielleicht leichter den Weg zu uns selbst und damit auch zu den anderen.

Die Marke Teufel feiert Individualität und Authentizität. Wer oder was hat dir diese Werte mitgegeben oder dich inspiriert, deinen eigenen Weg zu gehen?

Authentizität ist heutzutage eine Seltenheit. In einer Gesellschaft, in der alles konform sein und sich anpassen muss, ist es nicht immer einfach, seinen Platz zu finden und sich nicht zu verstellen. Musik, Tanz, Kunst im Allgemeinen, haben mir immer die Möglichkeit gegeben, mich auszudrücken. In meinem Leben als Künstlerin bin ich immer auf der Suche nach der Ehrlichkeit von Bewegung und Worten, um unverfälscht und authentisch zu bleiben.

Woran arbeitest du im Moment?

Ich konzentriere mich voll und ganz auf mein zweites Album. Es ist fast fertig. Ich arbeite seit über anderthalb Jahren daran. Es ist mein erster Gedanke, wenn ich morgens aufstehe und hält mich nachts oft wach, weil ich permanent darüber nachdenke. Ich habe den starken Drang, es mit der Welt zu teilen, aber werde mich gedulden, bis die letzten Details fertig sind.

Bild: Teufel.

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