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Stasi, KGB und Aids – Märchen und Wahrheit

© David-Lavigne (via Deviant Art)

Der sowjetische Geheimdienst KGB hat vor 30 Jahren das Gerücht in die Welt gesetzt, die USA hätten in ihren Laboren das HI-Virus entwickelt. Welche Rolle spielte damals die Stasi der DDR?

Die USA verantwortlich für Aids?

Erhard Geissler, emeritierter Genetiker und Bioethiker am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin schreibt in einem „Tagesspiegel“-Beitrag (Ausgabe 3. Februar 2015), die Stasi habe mit der Verbreitung des Märchens wenig bis gar nichts zu tun gehabt. Allerdings habe damals der „fantasiebegabte“ Ostberliner Biologie-Professor Jakob Segal den KGB-Mythos sofort aufgegriffen und ihn weiterentwickelt, so Geissler. Doch sei es ungeachtet dessen schlicht falsch, dass es das DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gewesen sei, das die Falschinformation als erstes in die Welt setzte oder Segals Aktivitäten unterstützte. Segal sei bei alledem eher ein Alleintäter gewesen.

Die Stasi hatte mit dem Märchen kaum zu tun

Segals Thesen seien „erstmals Anfang September 1986 in Harare am Rande eines Gipfeltreffens der blockfreien Staaten veröffentlicht worden“, so Geissler weiter. Anlass für seinen Beitrag ist, dass die Stasiunterlagenbehörde eine Nichtbeteiligung der Stasi infrage stellt. Neu entdeckte Dokumente würden zwar belegen, dass einige Offiziere der im MfS zuständigen Hauptabteilung „HV A/X“ tatsächlich versuchen wollten, „gemeinsam mit ihren bulgarischen Genossen die segalschen Behauptungen weiterzuverbreiten, um auf diese Weise ‚antiimperialistische Vorbehalte in der Welt‘ zu verstärken, nachdem sie 1986 auf bizarrem Umweg vom Aids-Mythos erfahren hatten“, schreibt Geissler. Doch habe das MfS bereits Ende 1986 erkannt, dass das, was der KGB gestreut hatte und von Jakob Segal weiterentwickelt und verbreitet wurde, „unwissenschaftlich und nicht belegbar“ war.

Selbst das KGB räumte mit dem Gerücht auf

Mehr noch. Segals Aktivitäten seien sogar „schädlich“, so die Stasi, und obwohl nach einer Beschwerde der USA in Moskau selbst der KGB aufhörte, das Gerücht aufrecht zu erhalten, habe Segal einfach weitergemacht. Geissler dazu: „Daraufhin stimmten sich die Abteilung Gesundheitspolitik des ZK der SED mit dem Gesundheitsministerium und dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten dahingehend ab: Segals Meinung ‚ist nicht die offizielle DDR-Position.'“ Dies sei nicht nur förmlich und wiederholt der US-Regierung mitgeteilt, sondern auch im Abstimmungsverhalten in den Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht worden.

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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