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“Heartstopper” und die Sache mit der LGBTQ Jugend 

Während die meisten von uns im Pride Monat Juni das Leben auf „dem anderen Ufer“ und uns selbst feiern, wird ein wesentliches Segment der LGBTQ Community oft vergessen, die einer Studie der LGBTQ Mental Health Nonprofit Organisation Trevor Project dringend unsere Aufmerksamkeit brauchte. Denn der Studie nach haben über 45% der LGBTQ Jungend im Jahre 2021 Selbstmord in Betracht gezogen.

Und wenn wir ehrlich sind, dann erinnern sich die meisten von uns mit eher gemischten Gefühlen an unsere Schulzeit zurück, in der Bulling und Mobbing oft an der Tagesordnung standen. Ich selbst hatte jahrelang mit dem Fahrrad den knapp 9 km langen Schulweg zurückgelegt, da ich den Gehässigkeiten im Schulbus aus dem Weg gehen wollte und das Mobbing kein Ende nahm. Denn während ich der einzige schwule Junge im Dorf gewesen zu sein schien, gab es in jedem Jahrgang Bullis.


Aber da ich auch gute Freunde in der Schule hatte, war die Schule ein Ort, an dem ich Sicherheit fand. Mit einem gesunden Selbstbewusstsein stand ich jedes Jahr auf der Theaterbühne und lernte zu mir zu stehen und den anderen wenig Bedeutung zu schenken, auch wenn es innerlich oft geschmerzt hat. Irgendwann neigte sich dann die Schulzeit dem Ende zu und als Erwachsene fanden die meisten von uns die Freunde und Sicherheit, die wir in unserer Schulzeit oft vermisst hatten.


Mit dem Abstand von diesen oft traurigen Jahren starten viele von uns später erst richtig durch und haben Erfolg und Spaß im Studium. Wir finden unseren Weg und unsere Karrieren, unsere Partner oder auch eigene Familien. Und irgendwann gibt es die Anerkennung und Liebe in unserem Leben, die wir uns damals auf dem Pausenhof oft gewünscht hatten, als wir mit üblen Schimpfworten von anderen gedemütigt und provoziert wurden.

Als Netflix am 22. April 2022 die in England produzierte Serie „Heartstopper“ über das Netz auf unsere Laptops und Bildschirme schickte, lernten wir den Highschool Schüler Charlie Spring kennen, der in seiner Schule geoutet wurde und sich in Nick Nelsen verliebt, der auch noch der Starspieler des Rugby Teams ist und am Anfang des Schuljahres neben Charlie im Klassenzimmer landet.


Als der beliebte Nick Charlie eines Tages eine Frage stellen möchte, glaubt dieser, dass er ihn um ein Date bitten möchte. Aber stattdessen hat Nick die Idee, dass sich derschnelle Charlie unbedingt beim Rugby Team anmelden sollte, was dieser nur widerwillig akzeptiert. Aus den beiden werden echte Freunde, bis Nick sich schließlich eingesteht, auch Gefühle für Charlie zu haben, was er jedoch vor seinen Freunden nicht zugeben möchte.


Charlies Kumpel Tao glaubt nicht an ein Happy End für Nick und Charlie und will diesen beschützen. Nachdem er mit anhört, wie sich Nick auf ein Date mit Imogen einlässt, deren Hund dann auch noch plötzlich stirbt, könnten die Dinge nicht komplizierter werden, bis Nick sich eingesteht, dass er Charlie nicht verlieren möchte und sich endlich Gedanken über seine eigene Bisexualität macht.


Meine Tochter und ich haben „Heartstopper“ begeistert gesehen und auch wenn dieSerie und positive Handlung nicht viel mit meinen eigenen deprimierenden Erfahrungen zu tun haben, vermittelt Heartstopper auf der einen Seite der LGBTQ Jugend Hoffnung, dass man auch als „quer“ nicht nur den richtigen Partner und die Liebe, sondern auch Akzeptanz und Freunde für das Leben finden kann.


Auf der anderen Seite hat meine Tochter zum Beispiel sehr positiv reagiert, als sich Nick und Charlie zum ersten Mal küssten. Filme und Serien wie „Heartstopper“ haben die Möglichkeit, unseren Mitmenschen zu zeigen, dass die Liebe zwischen zwei jungen Männern etwas völlig Normales ist. Wenn wir heute durch New York City gehen, dann sehen wir oft Männer, die Händchen halten und ihre Liebe offen ausleben, was ich mir damals in meiner eigenen Schulzeit oft gewünscht hätte.


Während in der Vergangenheit schwule Männer in Filmen und Serien oft sehr traurig und tragisch dargestellt wurden, die einfach nicht ihren Sinn und ihr glückliches Ende finden würden, zeigt uns Heartstopper, dass es auch anders gehen kann. Was mich am meisten beeindruckt hat, war der Umstand, dass sich Charlie und Nick voll und ganz auf ihre Familien verlassen konnten.


Charlies Vater bietet seinem Sohn immer wieder an, ihn anzurufen, falls die anderen Jugendlichen sich ihm gegenüber gemein verhalten und tröstet Charlie, wenn er seinen Dad und eine Umarmung braucht. Und Charlies Schwester steht ihm mit Rat zur Seite und ist ständig bemüht, eine aktive Rolle im Leben ihres schwulen Bruders zu führen, auch wenn Charlie das manchmal zu viel des Guten ist.


Oscar Preisträgerin Olivia Colman spielt Nicks Mutter, die auf sein Coming-out nicht hätte besser reagieren müssen. Sie nimmt ihn in den Arm und sagt, dass es ihr leidtun würde, falls sie ihm das Gefühl gegeben hätte, nicht schon früher mit ihr darüber hätte sprechen können. Und überhaupt wäre es auch okay für sie, wenn sich Nick gar nicht mehr für Mädchen interessieren würde. Als Nick ihr dann erklärt, was Bisexualität bedeutet, lacht sie nur und weist ihn darauf hin, dass sie nicht im 18. Jahrhundert geboren wäre.


Was wir alle von „Heartstopper“ lernen können, ist, dass eine gesunde Portion Optimismus uns bei unserem eigenen Coming-Out hätte helfen können und dass es immer ein paar Freunde und etwas Familie geben wird, die uns so akzeptieren, wie wir sind. Und sie werden sich für uns freuen, wenn wir den richtigen Partner finden, der keine Angst davor hat, zu uns und zu unserer Sexualität zu stehen.


„Hearstopper“ erinnert uns aber auch daran, dass es dort draußen die LGBTQ Jugend gibt, die selbst noch vor ihren Coming-Outs steht und von unseren eigenen Erfahrungenund Geschichten lernen können. Wir finden irgendwann unsere Traumjobs und werden beim Christopher Street Day stolz mit den anderen Mitgliedern der Gay Community über die Straßen schlendern. 

Aber es wird immer einen Charlie oder Nick auf dem Pausenhof geben, der unsicher und traurig in die Zukunft blickt, weil der eigene Start des Lebens „auf dem anderen Ufer“ einfach noch nicht so richtig klappen will.

In diesem Sinne wünsche ich allen Mitglieder unserer wunderbaren Gay Community, egal ob jung oder alt, eine „Happy Pride“. 

Zum Autoren: Der Autor und Banker Derek Meyer lebt mit seinen Kindern in New York City und engagiert sich seit 2010 aktiv im Kampf gegen AIDS. Seine Bücher „Coming Out in New York“, „Baby, Fame & Inspiration“, „Live as Heroes“ und „Stonewall 1969“ sind im Handel erhältlich. Kontakt: derekmeyer.nycity@yahoo.com

Written by Derek Meyer

Derek Meyer wird im Rahmen einer Artikel Serie über das Leben in New York schreiben. Er hatte bereits in seinem Debüt Roman „Coming Out in New York“ die Auf und Abs des Lebens in der New Yorker Gay Szene beschrieben und meldete sich knapp 2 Jahre später mit seinem zweiten Buch „Baby, Fame & Inspiration“ zurück. Beide Bücher sind auf www.tredition.de und Amazon erhältlich.

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