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Blutspendeverbot: Grüne für Ende der Diskriminierung

© MartinD / CC-BY-SA 2.5 (via Wikimedia Commons)

Die grüne Bundestagsfraktion äußert sich enttäuscht zu den von der Bundesregierung geplanten Änderungen zur Blutspende im Transfusionsgesetz.

Dazu erklärten der queerpolitische Sprecher Sven Lehmann und Kordula Schulz-Asche, Berichterstatterin für Infektionsschutz der GRÜNEN Bundestagsfraktion:

„Die geplante Novelle des Transfusionsgesetzes enttäuscht, denn sie beendet die Diskriminierung von schwulen wie bisexuellen Männern und transgeschlechtlichen Menschen bei der Blutspende nicht. Die geplante Änderung formuliert eigentlich eine Selbstverständlichkeit, nämlich dass die Bundesärztekammer (BÄK) zur regelmäßigen Aktualisierung und Überprüfung der Erforderlichkeit eines gruppenbezogenen Ausschlusses bzw. Rückstellung verpflichtet werden sollte.

Ob diese Regelung die BÄK dazu bewegen wird, die Diskriminierung von schwulen wie bisexuellen Männern und transgeschlechtlichen Menschen zu beenden, ist unklar. Auch die Begründung gibt keine klare Aussage, dass eine Änderung der Richtlinie Hämotherapie notwendig ist.

Mit der längst überfälligen Reform dieser Richtlinie müssen aber die pauschalen, wissenschaftlich nicht haltbaren und diskriminierenden Rückstellungen von Personengruppen von einer Blutspende gestrichen werden.

Dabei muss die Neufassung den Anstieg der antiretroviralen Therapie und die Zulassung der HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) berücksichtigen. 

Eine Frist von zwölf Monaten ohne Sex für eine Blutspende ist sachlich unbegründet und führt zum praktischen Ausschluss von schwulen und bisexuellen Männern. Die gesonderte Nennung von „transsexuellen Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ in der Richtlinie Hämotherapie ist nicht akzeptabel, diskriminierend und völlig unverständlich. 

Wer Blut spendet, übernimmt Verantwortung sowohl für seine Spende als auch für die Gesellschaft. Verantwortungsvolles Handeln gilt es zu ermöglichen und nicht pauschal abzuweisen. Gerade in Corona-Zeiten ist dies sehr wichtig, da die Spenden derzeit zurückgehen.

Deshalb wäre eine eindeutigere Regelung zielführend. Zum einen sollte die Überprüfung einmal im Jahr erfolgen. Zum anderen muss dort ein Verbot direkter und indirekter Diskriminierung verankert sein. 

Die grüne Bundestagsfraktion hatte einen eigenen Antrag dazu eingebracht und werden im weiteren parlamentarischen Verfahren auf die erforderliche Änderungen drängen.“

Hintergrundinformationen

Auf der Grundlage von § 5 des Transfusionsgesetzes (TFG) aus dem Jahre 1998 stellt die Bundesärztekammer für die Herstellung und Anwendung von Blutprodukten seit langem gemeinsam mit der nach § 27 Abs. 1 TFG zuständigen Bundesbehörde, dem Paul-Ehrlich-Institut, den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik in Richtlinien fest. In § 5 Abs.

1 TFG heißt es: „Die Zulassung zur Spendeentnahme soll nicht erfolgen, soweit und solange die spendewillige Person nach Richtlinien der Bundesärztekammer von der Spendeentnahme auszuschließen oder zurückzustellen ist.“ Nach einer 2017 formulierten Richtlinie der Bundesärztekammer dürfen schwule und bisexuelle Männer fortan Blut spenden, sofern sie ein Jahr keinen Sex hatten. Diese Frist ist sachlich unbegründet.

Sie sollte sich an der Nachweisbarkeit einer HIV-Neuinfektion orientieren – diese beträgt ca. sechs Wochen. Zudem werden „transsexuelle Personen mit sexuellen Risikoverhalten“ als gesonderte Gruppe erwähnt, obwohl sie bereits entweder als „heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ oder „Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM)“ bereits rückgestellt werden. Dies suggeriert eine besondere Ansteckungsgefahr, die von transsexuellen Personen ausgehen kann.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte 2015 generelle Blutspendeverbote als unzulässig, solange der Gesundheitsschutz der Blutspendeempfänger gewährleistet ist (C-528/13). Der generelle Ausschluss homo- und bisexueller Männer von der Blutspende hat ein hohes Diskriminierungspotenzial. Der EuGH stellt zwar fest, dass ein Ausschluss in einzelnen Mitgliedstaaten aufgrund spezieller Situationen gerechtfertigt sein kann.

Er macht aber auch deutlich: Der generelle Ausschluss von homo- und bisexuellen Männern von der Blutspende ist diskriminierend, wenn es weniger belastende Methoden gibt, z. B die persönliche Befragung über das individuelle Verhalten.

Sexuelle Beziehungen zwischen Männern sind nicht per se ein Sexualverhalten mit einem hohen Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten. Ein genereller Ausschluss homo- und bisexueller Männer von der Blutspende ist deshalb nicht gerechtfertigt. Vielmehr muss ein individuelles und konkretes Risikoverhalten festgestellt werden.

Zudem empfehlen seit 2015 die HIV-Behandlungsleitlinien jede diagnostizierte HIV-Infektion in Deutschland umgehend antiretroviral zu therapieren. Der Anteil der Personen, die mit einer HIV-Infektion diagnostiziert wurden und eine antiretrovirale Therapie erhalten, ist von 78 % im Jahr 2006 auf 92 % im Jahr 2017 angestie-gen. Etwa 95 % dieser Therapien verliefen im Jahr 2017 erfolgreich. Kriterium für eine erfolgreiche Therapie ist eine Viruslast von weniger als 200 Viruskopien/ml Blut. 

Im Ergebnis ist die Anzahl der geschätzten HIV-Neuinfektionen bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), von etwa 2.300 Neuinfektionen in den Jahren 2012 und 2013 auf 1.700 Neuinfektionen im Jahr 2017 zurückgegangen.

Written by Marco Steinert

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