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Mein heimliches Auge 38 – Das Jahrbuch der Erotik 2023

Das erotische Jahrbuch „Mein heimliches Auge“ ist in der 38. Ausgabe erschienen. Wie in jedem Jahr eine bunte Mischung aktueller und zeitloser Reflexionen rund um die Spielarten der Erotik – deutliche und geheimnisvolle Bilder, vielfältige Erzählungen, Gedichte, Berichte aus dem Liebesleben, Gespräche und Fotografie, Kunst und privates Material. Auf rund 400 Seiten zeigt das Jahrbuch sinnliche Vielfalt, die Mitwirkenden und Abgebildeten sind unterschiedlich alt und kommen aus unterschiedlichen Szenen. Es gibt viele fröhliche Beiträge und Nachdenkenswertes, Anregendes, Erregendes. Die Beiträge sind hetero, lesbisch, schwul, bi und trans – schubladenübergreifend. 

Die bekannte Reihe erscheint seit 1982 im Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke in Tübingen und kämpft für die Aufhebung der Schubladen, gegen das Berührungsverbot, für die Vielsprachigkeit. Inzwischen ist das „Heimliche Auge“ ein Klassiker zeitgenössischer erotischer Kunst und Kultur, der seit bald 40 Jahren die vielschichtigen kleinen Veränderungen im Umgang mit dem Thema dokumentiert. Immer wieder publizierten im „Auge“ neben bereits bekannten AutorInnen und anderen Kulturschaffenden völlig unbekannte AutorInnen oder EssayistInnen, die später erst berühmt wurden, oft mit Erstveröffentlichungen, z.B. Alissa Walser, Thomas Hettche, Silvia Szymanski, Bodo Kirchhoff und Yoko Tawada. 

Verlegerin Claudia Gehrke und der Frankfurter Schriftsteller Uve Schmidt entwickelten gemeinsam die Idee, einen erotischen Bildband herauszugeben. Claudia Gehrke ging es von Beginn an darum, Frauen und dem weiblichen Blick ein Forum zu geben. Uve Schmidt wollte vor allem die „heimlichen Schubladen“ seiner teils sehr bekannten Freundinnen und Freunde aus der Kunst- und Literaturszene öffnen und warf einen männlichen bzw. bisexuellen Blick auf die Einsendungen; die Verlegerin, Mitarbeiterinnen und Praktikantinnen den weiblichen, lesbisch angehauchten. Uve Schmidt schrieb Jahr für Jahr seine Vorworte, in denen er einen zart-scharfen, ironischen Blick auf Ereignisse des jeweiligen Jahrs und auf Liebe, Sex und Erotik warf. 2020 wollte er sich mit seinem Vorwort verabschieden. Am 20. Mai 2021 ist er gestorben.

© Anja Müller

Das Jahrbuch enthielt von Beginn an auch schwule, lesbische und trans Beiträge – das Wort „queer“ war noch lange nicht gebräuchlich, „pansexuell“ nannte Manuela Kay es in einer Besprechung. Neben vielen positiven Reaktionen stieß die Veröffentlichung auch auf Widerspruch, bereits die erste Ausgabe setzte eine Lawine der Empörung in Gang. Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz fand 1996: „Solche Schmutzwerke tragen dazu bei, jedwede Hemmschwelle im sexuellen Bereich zu beseitigen.“ Obwohl zwei Indizierungsverfahren zu dem Schluss kamen, dass das „Heimliche Auge“ Kunst war, konnte und wollte sich die Staatsanwaltschaft einschalten, bis es dann 2001 zum Prozess kam. Claudia Gehrke beteiligte sich an den Debatten mit eigenen Beiträgen, Publikationen sowie öffentlichen Auftritten und Veranstaltungen – und der Prozess wurde endlich gewonnen.

Positive Besprechungen kamen auch vom Spiegel („Eigenwillig, irritierend, intelligent.“) und der Zeit („Die Spielarten sind unendlich.“). Sybill Häussermann schrieb: „Es tut gut zu sehen, dass die Auseinandersetzung rund um das Thema Sexualität auf solch einem hohen Niveau stattfindet.“ Eine nicht ganz ernst gemeinte Beschwerde kam vom Magazin der schwulen Buchläden, Erlkönig, in einer Rezension des Auges: „Liebe Herausgeberin, lieber Herausgeber, das heimliche Auge hat doch für ein Bilderbuch viel zu viel Text, für Feministinnen zu viele Schwänze, für Schwule zu viele Lesben, für Lesben zu viele Männer, für Romantiker gibt’s zuviel Schmerz, für Sadomasochistinnen zuviel Herz! Veröffentlichen Sie doch mal was, das in irgendwelche Schubladen paßt!!!“ 

Mein heimliches Auge 38

Oktober 2023

388 Seiten

ISBN 978-3-88769-538-5

16,80 € 

www.konkursbuch.com/heimliches-auge 

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