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Geschichten aus der New Yorker Gay Community – Die heissen Sommer auf Fire Island

Wenn wir New Yorker an den heissen Sommer Wochenenden eine Pause von dem Leben in der Millionen Metropople brauchen, dann stehen uns eine ganze Reihen von Optionen zur Verfügung. Wer die Stadt nicht verlassen möchte, wird sich mit den Strandabschnitten in Brooklyn oder der Bronx zufrieden geben.

Die Young Urban Professionals wird es in die Hamptons ziehen und dann gibt es schwule Männer wie mich, die sich nicht nur seit Jahren sondern Jahrzehnten in den Zug nach Sayville setzen und anschliessend zu der knapp 48 Kilometer langen und 1 km breiten Barriereinsel Fire Island fahren werden, die sich am südlichen Ufer von Long Island in Suffolk County befindet und hauptsächlich über die zahlreichen Fähren und privaten Wasserfahrzeuge erreichbar ist. 

Ich erkannte bereits bei meinem ersten Besuch am Ende der 90er Jahre, warum die Insel als Spielplatz der Chelsea Boys gilt, auf der sich etliche Paare gefunden oder getrennt hatten und vielen von ihnen das Herz gebrochen worden waren. Und ich werde niemals diesen heissen Sommertag vergessen, als ich jung und unschuldig auf dem Deck der Fähre sass; der Wind wirbelte meine dunklen Haare durcheinander und das Boot war voll mit gutaussehenden Männern.

Aber wenn ich 20 Jahre später auf meine eigene Zeit auf Fire Island zurück blicke, dann erkenne ich, dass die Community auf dieser Insel eigentlich immer mit ähnlichen Problemen wie in New York zu kämpfen gehabt hatte. 

Dabei vermittelt Fire Island seinen Besuchern auf dem ersten Blick einen eher friedlichen Eindruck. Die gesamte Insel steht unter Naturschutz und die Gemeinden von Ocean Beach und Saltaire innerhalb der Fire Island National Seashore sind während der Sommersaison vom Memorial Day bis Labor Day autofreie Zonen und erlauben nur Fußgänger und Radfahrer.

Eigentlich sollte man auf der Insel im Sommer gut abschalten und entspannen können. Aber trotz eingeschränkten Autoverkehrs ist es gerade in den Siedlungen Fire Island Pines und Cherry Grove schon sehr früh mit der Ruhe im Sommer vorbei, da beide als beliebte Ausflugsziele für schwule und lesbische Besucher gelten, die es kaum erwarten können, der heissen Sommerhitze in New York zu entfliehen und die Wochenenden auf der Insel zu verbringen und dabei jede Menge Spass zu haben. 

Dies bedeutet für die rund 290 Bewohner der Insel, die das ganze Jahr auf Fire Island verbringen, dass sie sehr tapfer sein müssen, wenn jedes Jahr tausende von Touristen zusammen mit ihren Freunden ganze Häuser mieten, die entweder am Strand des Atlantischen Ozeans oder aber im Inneren der Insel größtenteils im Bungalow-Stil gebaut worden waren.

Während die Einwohner die Einsamkeit und Ruhe in den kleineren Dörfern der Insel geniessen, bieten die Bars, Clubs und Restaurants unter freiem Himmel in den größeren Orten wie Ocean Beach und Cherry Grove jede Menge Unterhaltung. 

Die erste Gay Community hatte sich auf Fire Island bereits in den 60er Jahren herausgebildet und die legendären Village People widmeten der Insel sogar ein Lied auf ihrer ersten LP. In den 70er Jahren wurde Fire Island dann durch die Tea Dance Parties am Sonntag Nachmittag um 17 Uhr berühmt und die erfolgreichen New Yorker DJs probierten ihre neuesten Tracks an dem schwulen Publikum aus, das als experimentierfreudiger galt.

Als Donna Summer am 7. July 1979 im letzten Moment ein Konzert am Strand vor über 5,000 Besuchern absagte, bekam die gerade einmal 16 Jahre alte France Joli ihre Chance und wurde mit ihrem Lied „Come to Me“ ueber Nacht zu einer absoluten Sensation. 

Der Pavillion, der im kommerziellen Komplex rund um den Hafen von Fire Island Pines liegt, gilt noch heute als das Juwel der Insel und ist für seinen berühmten Nightclub, High Tea Deck und Harbor Club bekannt. Seit den 60er Jahren haben sich die Anwohner und Besucher der Insel Seite an Seite mit Berühmtheiten aus der ganzen Welt amüsiert.

Der Pavillion war schnell zu einem Zufluchtsort für Vertreter aus der Fashion-, Design- und Theater Szene geworden, die sich vor den Augen der Öffentlichkeit verstecken wollten, nachdem das Model John Whyte den Komplex 1962 übernommen hatte. 

Es war sicherlich der 70er Jahre Disco und den DJs zu verdanken, warum der damals noch genannte „Blue Whale“ schnell zu dem Ort wurde, an dem man sehen und gesehen werden wollte und irgendwann zu dem weltweit größten Abnehmer von Blue Curacao geworden war, da der Blue Whale Cocktail bei seinen Besuchern ebenso gut ankam, wie das Tea Dance Ritual.

Noch heute befindet sich im oberen Stockwerk und Zentrum des Komplex der sogenannte High Tea, der seinen Besuchern nicht nur angesagte Musik und Cocktails sondern auch einen großzügigen Blick auf den Hafen bietet, während der Club „Pavillion“ sein Zuhause einem großzügig und abgeschirmten Raum fand.

Von diversen Balkonen können Gäste einen Blick auf die Tanzfläche werfen und an dem Ort feiern, der bereits vor Jahrzehnten eine neue Ära des Tanzes bis tief in die Nacht auf Fire Island eingeläutet hatte, die noch bis heute andauert. 

Fire Island hat in all den Jahren nie an Beliebtheit verloren, auch wenn die Insel wie jede andere Community auch ihre Schattenseiten hat. So hatte die AIDS Krise diese eigentlich sehr friedliche Community in den 80er und 90er Jahren extrem hart getroffen und gerade die attraktiven Boys, die mehr an Sex und heissen One Night Stands als an Liebe interessiert waren,  waren ihr zum Opfer gefallen.

Noch heute erinnert man sich an die Freunde, mit denen man früher die Sommer in den Strandhäusern verbracht hatte und die irgendwann in den kommenden Jahren nicht mehr zurück nach Fire Island gekommen waren. 

Und ich selbst erkannte am letzten Sonntag Abend, dass sich mein eigenes Leben seit meinem ersten Besuch auf der Insel verändert hatte, als sich zwei „Twentysomethings“ im Zug zurück nach New York über ihre Teilzeit „Karrieren“ als Go-Go Boys unterhielten und nichts wichtiger zu sein schien, als VIP Tickets für Parties und kostenlose Drinks spendiert zu bekommen und die neuen „It-Boys“ auf der Insel zu sein. 

Ich schaute für einen Moment zu den beiden jüngeren und sehr muskulösen Männern herüber, die ganz offensichtlich keine Angst vor Anabolika/Steroids und Spritzen hatten und erinnerte mich für einen Moment an meine ersten Besuche auf der Insel, als ich noch jung und unschuldig gewesen war und mich in meine eigenen Abenteuer gestürzt hatte. 

Und dann blickte ich auf meine schlafenden Tochter, die ich nach einen langen Tag auf dem Strand auf der Insel in meinem Arm hielt und erkannte wieder einmal, dass ich froh war, wie sich mein eigenes Leben entwickelt hatte und dass trotz all dieser Veränderungen Fire Island niemals an seiner Anziehungskraft verloren hatte. 

Unser Leben verändert sich und wir werden alle älter. Aber es ist gut zu wissen, immer an einen Ort wie Fire Island zurückkehren zu können, der für die New Yorker Gay Community seit Jahrzehnten ein zweites Zuhause gewesen ist und der so eine bedeutende Rolle in dieser Community spielt. 

Zum Autoren: Der Autor und Banker Derek Meyer lebt mit seiner Tochter in New York City und engagiert sich seit 2010 aktiv im Kampf gegen AIDS. Seine Bücher „Coming Out in New York“, „Baby, Fame & Inspiration“ und „Live as Heroes“ sind im Handel erhältlich. Kontakt: derekmeyer.nycity@yahoo.com 

Bild: Derek Meyer.

Written by Derek Meyer

Derek Meyer wird im Rahmen einer Artikel Serie über das Leben in New York schreiben. Er hatte bereits in seinem Debüt Roman „Coming Out in New York“ die Auf und Abs des Lebens in der New Yorker Gay Szene beschrieben und meldete sich knapp 2 Jahre später mit seinem zweiten Buch „Baby, Fame & Inspiration“ zurück. Beide Bücher sind auf www.tredition.de und Amazon erhältlich.

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