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„Die selbst die Sache nicht prüfen / Mitgerissen von andrer Lärm, / Törichten Sinnes sich gehen lassen, / Die hängen ab von fremdem Tun.“ (Buddha, „Furcht steckt an“)

Nur durch die Beendigung von Diskriminierung und den Niederriss trennender Mauern inunseren Köpfen, können Nichtheterosexuelle als soziale Gruppe vollwertig inkludiert werden. Dies wirkt sich darüber hinaus auf den Umgang mit weiteren sozialen Gruppen aus, denn einige Weisheiten und Erkenntnisse gelten übergreifend; sich ihrer zu besinnen, bekommt derzeit in Deutschland einen besonders wichtigen Stellenwert. Dazu gehören Erkenntnisse darüber, dass…

  • Diskriminierung nur anerzogen ist und überwunden werden kann.
  • auch unterschwellige Diskriminierungsformen einen emotionalen Freiheitsentzug bedeuten.
  • nur die gleichen Rechte und Verwirklichungsmöglichkeiten zu objektiver Gleichheit befähigen können.
  • Fortschritts- und Entwicklungsfähigkeit nur durch die Wertschätzung aller Mitglieder einer Gesellschaft erzielt werden können.
  • Gleichbehandlung niemandes moralische Gefühle verletzen kann.
  • jede soziale Gruppe, die gleichberechtigt inkludiert wird, ein Gewinn für die Standfestigkeit der Gesellschaft ist.

Homo- und Transphobie strukturell und sozial zu überwinden, kann funktionieren, wenn dies als gleichwertige Inklusionsaufgabe aufgefasst wird, an deren Erfolg die gesamte Bevölkerung maßgeblich beteiligt ist. Wir haben die Chance, für künftige Inklusionsaufgaben und Zerreißproben eine Menge zu lernen: Reflektiertes Denken, Kontakt und feste Überzeugungen von Menschenrechten helfen bei der Überwindung sozialer Phobien. Wir müssen daher den Mut aufbringen, zu sagen, dass nicht jede getroffene Aussage einer Person bereits den viel zu oft fehlgenutzten Begriff der Meinung verdient: Eine Meinung benötigt Selbstreflexion und ein Commitment zu grundlegenden Werten von Freiheit und Gleichberechtigung, um zukunftsfähig und akzeptierbar zu sein.

Notwendig ist daher eine realitätsnahe Politik mit klarer Haltung, die auch genau jetzt den Mut aufbringt, Demokratie und Zusammenleben weiterzuentwickeln und zeitgemäß zu gestalten. Hier gilt: „Eine Partei kann […] nur dann für sich den Anspruch erheben, für alle zu sprechen, wenn ihre Fühler auch in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens reichen.“ (Wowereit, Klaus: „Mut Zur Integration. Für ein neues Miteinander“, Berlin, 2011, S. 92.) Genauso muss in der Bevölkerung ein Reflexionsbewusstsein erwachsen, dass jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft befähigt, Ungleichberechtigung zu erkennen, sich ihr zu widersetzen und grundlegende Werte des Zusammenlebens auch langfristig und krisenfest zu verinnerlichen.

Konklusion

Für die Öffnung von Ehe und Adoption bedeutet dies, dass eine ernstzunehmende Politisierung erfolgen sollte, um der Forderung Nachdruck zu verleihen: Dazu wurde von der Soziologin Sabine Hark kürzlich angeregt, zur Erreichung dieses Ziels neue, kreativere Strategien und weithin gesellschafts- und communityübergreifende Allianzen zu bilden: Widersprüche können so aufgezeigt und offensiv zum Diskussionsthema erhoben werden. Besonders die aufgezeigten Erkenntnisse über Ausgrenzung und Diskriminierung (oben) sollten es vereinfachen, auch außerhalb der LGBTTI-Community Verbündete zu finden und gemeinsam zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung beizutragen.

Es ist im Sinne der demokratischen Gesellschaftsentwicklung nicht ausreichend, dieÖffnung von Ehe und Adoption als nachrangiges Thema aufzuschieben: Besonders in Zeiten, in denen die Demokratie herausgefordert ist, muss sie mit einer gesellschaftlichen Weiterentwicklung reagieren und den lange andauernden Prozess der nichtheterosexuellen Emanzipation in seinem jetzigen Moment nutzen. Lernen wir an Beispielen, das Menschenrechts- und Demokratieverständnis weiterhin zu pflegen, wird es Deutschland auch in seiner Fortentwicklung nützen, schwierige Herausforderungen und Zerreißproben zu meistern. Es gibt keinen besseren Moment als jetzt, durch die Öffnung der Ehe für nichtheterosexuelle Paare unseren Wertekanon zu festigen und zu erweitern.

Die Mauer muss weg!

In Robert Zieglers Streitschrift „Die Mauer muss weg!“ werden die sozialen,wirtschaftlichen und politischen Querverbindungen untersucht, die ein ganzheitlicher, geöffneter Ehebegriff mit sich bringt: Ziel ist, praxisnah darzustellen, wie und warum die Öffnung von Ehe und Adoption für Deutschland jetzt geboten ist. Die Argumente, die für einen zukunftsweisenden Umgang mit dem Thema präsentiert werden, sollen Schlüsselcharakter für eine sachlichere, respekt- und gehaltvollere Diskussion haben, die Ängste nimmt und friedensstiftend wirken kann. Die gegenseitige Akzeptanz gibt Auskunft darüber, wie reif das Menschenrechtsbewusstsein und soziale sowie ökonomische Entwicklungspotential unserer Gesellschaft ist.