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Russische Lesben sagen der Homophobie den Kampf an

Am 25. Mai 2013 soll ein „Gesetz gegen homosexuelle Propaganda“ die Staatsduma passieren. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes: In den Medien soll künftig das Thema „Homosexualität“ ebensowenig thematisiert werden wie in den Schulen, im Aufklärungsunterricht etwa.

85 Prozent der Russen begrüssen dieses Gesetz, doch jetzt macht sich Widerstand breit. Im Mittelpunkt: Zwei mutige Lesben. Milena Tchernjawskaja (25) ist Chefredakteurin des neu gegründeten Lesbenmagazins „Agens“. Die Probenummer hatte eine Auflage von 999 Heften, die unter der Hand sehr rasch verkauft waren.

Dadurch sieht sie sich ermutigt, „Agens“ nun regelmässig an die Kioske zu bringen. Ihr mantraartig vorgebrachtes Motto könnte Frau Tchernjawskaja dabei helfen: „Das Wort ´Furcht´ kenne ich nicht!“

Parallel hat die ebenfalls 25-jährige Lena Klimowa aus Jekaterinburg einen Blog gegründet, der insbesondere von jungen Frauen und Männern regelrecht gestürmt wird. „Kinder 404“ heißt dieser Blog, denn (nicht nur) im russischen Netz kommt der Ladefehler-Hinweis „Kinder 404“ immer dann, wenn eine aufgerufene Seite nicht existiert.

Homosexuelle sind für viele Russen krank und verrückt. Dieses „Bewusstsein“ will ein Blog nun ändern

„Wir existieren für die russische Gesellschaft und die Politiker in diesem Land offiziell ja auch nicht“, so Frau Klimowa, und weiter: „Für sie sind wir krank und pervers“.

Dieses vermeintliche Bewusstsein in der russischen Bevölkerung will sie mit dem neuen Blog grundlegend ändern. Erste Jugendliche hätten ihr geschrieben, sie hätten sich wegen ihrer Homosexualität umbringen wollen.

Was sie dann aber nicht taten, der Blog gibt ihnen offenbar Mut. Diesen Mut brauchen sie auch angesichts einer Medienlandschaft, in der Homosexuelle fast flächendeckend als Kranke, Verrückte und Freaks verhöhnt werden und infolgedessen die Stimmung im Land entsprechend aufgeheizt ist. Dies nicht nur auf dem Land.

In der Großstadt Wolgograd wurde vor wenigen Tagen ein Mann von einem Mob mit Bierflaschen vergewaltigt und mit Tritten auf den Kopf umgebracht. Der Grund für die Tat: „Der Typ war schwul!“. Er war es übrigens nicht.

Foto: Marco Steinert

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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