Auch wenn es viele Arten der Prävention gibt, werden jedes Jahr in Deutschland etwa 3.500 neue HIV-Infektionen entdeckt. Dank einer sehr gut funktionierenden antiretroviralen Therapie (ART) hat die Immunschwächekrankheit viel von ihrem Schrecken verloren; HIV hat – bei rechtzeitiger Behandlung – heute kaum noch eine Auswirkung auf den Alltag und kann, wenn der Patient dauerhaft unter der Nachweisgrenze liegt, nicht mehr übertragen werden.
So weit, so gut. Trotzdem ist das positive Testergebnis nach wie vor ein Schlag ins Kontor. Erst, wenn die Infektion unwiderruflich feststeht, merken die Betroffenen, dass der gesellschaftliche Umgang mit HIV den medizinischen Möglichkeiten weit hinterher hängt.
Sich im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis darüber auszutauschen, ist in vielen Fällen unmöglich; alleine die Erwähnung der drei Buchstaben führt nicht selten auch heute noch dazu, dass HIV-Infizierte aus ihrem gewohnten Umfeld ausgeschlossen werden. Um den gesellschaftlichen Anschluss nicht zu verlieren, verschweigen viele Infizierte ihr Testergebnis – mit der Folge, dass sie ihre Probleme mit sich alleine ausmachen müssen.
Die seelischen Belastungen beginnen mit dem Wissen um die Infektion. Der Frage nach dem »Warum ich?« folgt schnell die Frage, an wen man sich wenden kann. Ärzt_innen oder Mitarbeiter_innen im Gesundheitsamt können erste Hilfestellungen geben, aber die Betroffenen sind oft vom Wunsche beseelt, den Kreis der Eingeweihten möglichst klein zu halten.
Zu groß sind die Ängste vor Zurückweisung, vor Problemen in der Partnerschaft oder Zurücksetzungen am Arbeitsplatz. HIV ist nach wie vor unheilbar – ist die Information erst einmal ›draußen‹, kann sie nicht mehr zurückgeholt werden.
Gerade eine Partnerschaft wird durch die Feststellung einer HIV-Infektion auf eine harte Probe gestellt. War ein Seitensprung der Auslöser, fühlt sich der negative Partner (zu Recht) hintergangen. Oder aber der positive Partner zieht sich aus Angst, die Infektion weiterzugeben, aus der Intimität seiner Beziehung zurück.
Einen großen Anteil an den mit HIV verbundenen seelischen Problemen ist das Schamgefühl. Auf der einen Seite hätte man das Risiko kennen können, man hätte sich schützen können, eine Übertragung wäre nicht nötig gewesen. Man plagt sich mit Selbstzweifeln, stellt den Sinn des Lebens in Frage und beginnt, sich dafür zu hassen, dass man das eigene Leben und die Zukunft weggeworfen habe.
Auf der anderen Seite stehen die Rückmeldungen aus der Gesellschaft: HIV ist etwas »Schmutziges« – es hat mit »sexuell überbordenden Reizen« zu tun – es sind nur »Randgruppen« betroffen.
Die Diskriminierung von HIV-infizierten Menschen ist immer auch die Diskriminierung Homosexueller, wobei es unerheblich ist, ob sich ein Mann oder eine Frau infiziert hat, welche sexuelle Orientierung bzw. welcher Übertragungsweg vorliegt. Schnell werden Schubladen geöffnet:
Bei Schwulen ist es »ja klar«, dass die sich infizieren, infizierte heterosexuelle Männer sind wahrscheinlich ohnehin latent schwul und HIV-positive Frauen sind es selbst schuld, weil sie es ja »mit jedem treiben«. Ist es da ein Wunder, wenn sich viele HIV-Infizierte in ihr Schneckenhaus zurückziehen und auf diese Weise anfällig für Depressionen sind?
Es gibt Selbsthilfegruppen, es gibt Gesprächsangebote, es gibt Therapiemöglichkeiten. Diese anzunehmen, erfordert großen Mut, mehr aber noch Selbstüberwindung. In Online-Foren, deren Anonymität oft den ersten Schritt erleichtert, ist immer wieder die Überraschung festzustellen, mit seinen Problemen und seiner Situation gar nicht alleine zu sein.
Diese Erkenntnis ist ungemein wichtig; nur so kann man gezielt herausfinden, welche Hilfestellungen die richtigen sind. Dass HIV wesentlich mehr bedeutet als Ansteckung, Diagnose und antiretrovirale Therapie, hat das Pharmaunternehmen Janssen veranlasst, gemeinsam mit der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg eine Analyse durchzuführen, um zu verstehen, welche Erfahrungen Patienten im Laufe der Erkrankung machen und wie diese sich auf das seelische Wohlbefinden auswirken.
Das Ergebnis steht auf der Website www.my-micromacro.net allen Interessierten zur Verfügung. Janssen nennt das Feature »SEELE+«, wobei das Pluszeichen sowohl für HIV als auch für den positiven, das Leben erleichternden Umgang mit der Infektion steht.
In einer 152 Seiten starken Patientenbroschüre widmet sich Dr. med. Steffen Heger, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, vielen wichtigen seelischen Aspekten, die das Leben mit HIV begleiten und beeinflussen.
Auch die Website bietet viele interessante Informationen und Anregungen, z. B. die Möglichkeit einer »Online-Psychotherapie« als Überbrückung der Wartezeit auf einen Therapieplatz, als Ergänzung zu einer ›echten‹ Psychotherapie, als Alternative für Menschen, die z. B. aus beruflichen oder Krankheitsgründen keine regelmäßigen Termine vor Ort wahrnehmen können oder auch als Einstieg für Menschen, die sich noch scheuen, einen Psychotherapeuten im realen Leben aufzusuchen.
Zum Glück ist aus der tödlichen Bedrohung durch HIV mittlerweile eine chronische, gut behandelbare Krankheit geworden. Wer stark genug ist, muss mit seiner Infektion nicht an die Öffentlichkeit gehen, wenn er (oder sie) nicht will – weil sich im Alltag außer der regelmäßigen Tabletteneinnahme nicht viel ändert.
Trotzdem ist es auch für jene wichtig zu wissen, welche Wege und Ansprechpartner im Falle des Falles zur Verfügung stehen. Hier ist www.my-micromacro.net eine große Hilfe: Expertenrat, Kontakt zu anderen Betroffenen (»Somebuddy like me«), wichtige Adressen und viele Informationen zu den unterschiedlichsten Themen rund um HIV erleichtern es Betroffenen, die Infektion anzunehmen und mit ihr ein glückliches und auch seelisch erfülltes Leben zu führen.