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Neuer Anlauf für Rehabilitierung schwuler Männer nach §175

Rehabilitierung
© CC 2.0 flickr.com/photos/dierkschaefer/

Der § 175 fiel bereits vor 21 Jahren. Im Vorfeld gab es lange Auseinandersetzungen über die Streichung und die damit verbundene Entkriminalisierung von Sex zwischen Männern.

In den vergangenen Jahren gab es viele Initiativen und Aufrufe in den Bundesländern und im Bundestag von Bündnis 90 / Die Grünen und der Fraktion der Linken, die eine Rehabilitierung der damals verurteilten Männer einforderten. Im Bundestag wurde hier bisher keine Mehrheit gefunden. Berlin hat nun nach 2012 eine weitere Bundesratsinitiative gestartet.

Eine gemeinsame Vorlage vom Berliner Justizsenator Thomas Heilmann und Integrationssenatorin Dilek Kolat wurde im Abgeordnetenhaus beschlossen. Thomas Heilmann äußerte sich dazu: „Es ist Zeit, dass wir denjenigen Männern, die nach Kriegsende wegen ihrer sexuellen Identität verurteilt wurden, das Stigma einer Verurteilung nehmen.“
Senatorin Kolat merkt an: „Einige der zu Unrecht verurteilten Männer sind heute 70 bis 90 Jahre alt. Die Zeit drängt also, um dieser Generation noch die Rehabilitierung zuteilwerden zu lassen, die ihnen zusteht.“

In der Initiative geht es um eine Entschädigung für Männer, die nach 1945 und vor 1994 verurteilt worden sind. Verurteilte Männer aus der Zeit des Naziregimes wurden bereits 2002 entschädigt.

Vom Gesetz gegen Homosexuelle bis zur Rehabilitierung

Der Paragraph 175 stammt aus der Zeit des Kaiserreichs. Dort wurde formuliert: „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“ Doch zu Zeiten des Nationalsozialismus wurde der Paragraph noch ergänzt und verschärft. So wurde nicht nur der Geschlechtsverkehr zwischen zwei Männern kriminalisiert, auch jede Form der Intimität zwischen männlichen Personen. Die Strafen, die zu Zeiten des Kaiserreichs auf ein halbes Jahr festgesetzt worden sind, wurden in der NS-Zeit auf fünf Jahre hochgesetzt. Viele der Homosexuellen in dieser Zeit, die verurteilt worden sind, wurden in Konzentrationslager gesteckt und überlebten die Zeit nicht.
Der Paragraph im BGB lebte aber auch nach dem Ende des 2. Weltkriegs und der Nazizeit weiter. Zumindest im Westen Deutschlands.Hier wurde weiterhin vor Gericht verhandelt und nach $ 175 verurteilt. Eine erste Reform gab es hier erst 1969 in der ersten großen Koalition und eine Abschaffung der Strafen in der ersten sozialliberalen Bundesregierung 1973.
In der DDR wurde bereits seit dem Ende der 50er Jahre auf eine Verfolgung von Homosexuellen verzichtet. Nach der deutschen Einheit gab es dann 1994 endlich die Streichung des Paragraphen. Damalige Liberale und Konservative wollten als Symbolcharakter den Paragraphen selbst noch erhalten. Ohne die Streichung hätte es aufgrund von Sittenwidrigkeit so auch kein Lebenspartnerschaftsgesetzt einige Jahre später geben können.

Written by Marco Steinert

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