in

LSU: Medienschelte und Privatgedöns

© SPD Schleswig-Holstein /CC-BY-SA 2.0 (via Flickr Commons)

Seit der Ausstrahlung der Satiresendung heute-show am vergangenen Freitag, in der sich der Vorsitzende der Berliner Lesben und Schwulen in der Union (LSU), Jurgen Daenens, während einer Demonstration „Marsch für das Leben“ selber vorführt, reißen die empörten Reaktionen in der „Community“ nicht ab. Und selbst mehrere LSU-Landes- und Bundesfunktionäre haben gegenüber queerpride.de und anderswo erklärt, dass sie Daenens‘ TV-Auftritt nicht goutieren. Somit war man am gestrigen Tage um Schadensbegrenzung bemüht – mithilfe von entsprechenden Stellungnahmen des Landes- und Bundesverbandes wollte man für Ruhe sorgen. Doch die Betonung liegt auf bemüht, denn die LSU-Funktionäre haben genau das Gegenteil erreicht, was im Wesentlichen zwei Gründe hat: Zum einen ist der Versuch, den Daenens-Marsch für das Leben als „Privatangelegenheit“ zu deklarieren, geradezu aberwitzig angesichts der Tatsache, dass es Daenens ja nur deshalb in diese Sendung geschafft hat, weil er ungefragt auf sein Amt als LSU-Vorsitzender pochte. Folgt man der „Logik“ der LSU, dann könnte zum Beispiel Angela Merkel auch bei einer AfD-Demo gegen den Euro mit marschieren, ganz privat natürlich. Zum anderen ist es die nun wirklich einmalige Medienschelte in den „Deeskalations“-Erklärungen vom Landes- und Bundesverband selbst, die zu Recht die Empörung über die LSU am Köcheln hält. Journalisten wissen natürlich, dass in den Führungsetagen der Parteien, Verbände und Unternehmen schlecht über sie geredet wird. Fast immerfort fühlen sich Führungskräfte von Journalisten verfolgt und falsch eingeschätzt, was unweigerlich zu einer gewissen Verklärung des eigenen Handelns führt.

Skandalisierende Medien? Daenens ist der Skandal!

Im Allgemeinen aber bleibt eine öffentliche Medienschelte aus, weil man eine Art Hassliebe pflegt und dabei jeder professionelle (!) Pressesprecher weiß: Medienschelte bringt nichts, und wenn ein Journalist tatsächlich einen Fehler gemacht hat, dann sollte man das intern klären, um eine „Zusammenarbeit“ nicht unrettbar zu vergiften. Doch was macht die LSU? Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn blubbert via Twitter, er sei die „Dauerzensur von Meinungen“ leid, sie nerve ihn gar. Wer bitte schön, zensiert denn wo? Derweil vermeldet der Bundesverband der LSU: „(…)Klar ist: Der Bundesvorstand missbilligt die Teilnahme Daenens‘ am Marsch für das Leben, aber genauso auch die zum Teil über das Maß hinaus schießende Berichterstattung darüber.“ Da drängen sich zwei Fragen auf: Wen genau meint der Bundesvorstand? Und haben die, die diesen Unsinn verfasst haben, noch alle CDU/CSU-Tassen im Schrank? Der Berliner LSU-Landesverband wiederum verbreitet, Daenens‘ unsäglicher Auftritt vor einem Millionenpublikum – man fasst es kaum – sei ein interner Vorgang und „(…)wir möchten darum bitten von weiterer Skandalisierung des Vorfalls in den Medien abzusehen.“ Das schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus! Nein, liebe LSU. Nicht die Medien skandalisieren diesen Fall. Der eigentliche Skandal liegt darin, dass hier der Vorsitzende einer LGBT-Organisation ganz locker zur Kenntnis gibt, dass er die Grundüberzeugungen des Verbandes, den er leitet, privat offensichtlich selbst nicht teilt, weshalb er untragbar ist. Im übrigen: Dass einige Vorstandsmitglieder der Berliner LSU diese Erklärungen, die angeblich von den Vorständen gebilligt worden sind, nicht kennen, lässt nur einen Schluss zu: In diesem Verein weiß die linke Hand offenbar nicht, was die rechte tut…

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

Die neuen Kalender von Bruno Gmünder

Prozess gegen Luka Magnotta begonnen