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LGBT-Tourismus: Lesbische Frauen als Touristinnen

Titelbild: ©QueerStars/ PublicDomain (via Vimeo)

Zwar zählt der Reisemarkt um Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender als einer der am schnellsten wachsenden Nischenmärkte, aber letztlich zentriert er sich fast ausschließlich um homosexuelle Männer. Lesbischen Frauen wird in der Tourismusbranche bisher kaum Interesse entgegengebracht. Sind aber lesbische Touristinnen wirklich so uninteressant wie es der Markt im Augenblick vermuten lässt? Wer genau ist die „lesbische Touristin“ überhaupt, wie verreist sie und welche Rolle spielt die sexuelle Orientierung dabei?

Um das herauszufinden und somit diese Lücke im LGBT-Tourismus zu schließen, entschloss ich, mich in meiner Abschlussarbeit an der Universität Trier dem Thema zu widmen, lesbische Touristin genauer zu charakterisieren, um anschließend das Marktpotenzial des lesbischen Reisemarktes in Deutschland zu untersuchen. Hierfür musste erstmals ein ausführliches Bild über Verhalten, Bedürfnisse, Motive und Erfahrungen vor dem Hintergrund der sexuellen Orientierung entstehen:

Lesben zieht es in die Stadt oder ans Meer

Mit durchschnittlich 2,4 Reisen im vergangenen Jahr sind lesbische Frauen deutlich reisefreudiger als der deutsche Durchschnittsurlauber mit gerade einmal 1,3 Reisen pro Jahr. Am liebsten unternommen werden Städtereisen, aber auch der typische Badeurlaub und der Natururlaub wird gerne gebucht. Als Reisebegleitung wählen sie am häufigsten die Partnerin oder (platonische) Freunde und Freundinnen. Auf einen bestimmten Unterkunftstyp legen sie sich hingegen nicht fest; neben Ferienwohnungen und Hotels übernachten sie auch gerne in Bed and Breakfasts, Hostels oder auf Campingplätzen, nicht selten auch bei Freunden oder Verwandten. Einfluss auf die Unterkunftswahl haben in erster Linie Lage und Preis, während Kriterien, die sich auf ihre sexuelle Orientierung beziehen, wie beispielsweise der Zugang zu einer LGBT-Infrastruktur oder gay-only-Unterkünfte, erstaunlicherweise weniger wichtig sind. Anders sieht es jedoch beim gay-friendly-Status aus.

Gay-friendly-Status wichtiger als gedacht

Der Einfluss der sexuellen Orientierung auf die Urlaubsplanung ist in einer Selbsteinschätzung der Frauen im Durchschnitt eher gering. Dennoch zeigte die Umfrage, dass die Hälfte der Teilnehmerinnen dem gay-friendly-Status einer Unterkunft eine wichtige oder sogar sehr wichtige Rolle beimessen und ein Viertel der Frauen hat bereits eine Unterkunft aufgrund eines solchen Status gewählt.

Niederlande, Ostsee und Spanien vorne

Für kurze Reisen bevorzugen es Lesben in Deutschland zu bleiben oder in die Niederlande zu fahren. Bei längeren Aufenthalten zieht es sie an die Ostsee und auf die spanischen Inseln. Unter den Städten sind Amsterdam, Berlin, Paris und London die gefragtesten. Ziele wie Lesbos oder San Francisco – von vielen als die klassischen Homo-Reiseziele gesehen – sind, wie die Umfrage zeigte, dagegen kaum gefragt. Damit bildet sich ein großer Gegensatz zu Schwulen, denen „Homo-Hotspots“, ebenso wie die Existenz einer „gay-Infrastruktur“ am Reiseziel sehr viel wichtiger ist.

Waren die bisherigen Urlaube eher heimatnah, zeigte sich, dass die befragten Frauen eher entferntere Länder bereisen möchten. Präferiert wurden insbesondere die USA, Schweden und Neuseeland. Bei den Städten sind es vor allem New York, Los Angeles und London, die noch auf der Reiseliste der Frauen stehen.

Reise in ein homo-feindliches Land ist situationsabhängig

Ein einheitliches Bild bezüglich der Bereitschaft, in ein Land zu reisen, in dem Homosexualität unter Strafe steht, konnte die Umfrage nicht zeigen. Zwar geben zwei Drittel der Befragten an, dass sie Destinationen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung meiden würden, aber nur etwas mehr als ein Fünftel lehnt es tatsächlich entschieden ab. Vielmehr wird die Entscheidung von Urlaub zu Urlaub situationsabhängig getroffen. Wollen die Frauen ein Land aufgrund der Kultur bereisen, sind die meisten auch bereit sich anzupassen und sich ihrer Partnerin, sofern sie als Reisebegleitung gewählt wird, gegenüber neutral zu verhalten, auch wenn es ihnen prinzipiell wichtig ist, sich im Urlaub nicht verstellen zu müssen. Eine Reise in diese Länder bedeutet nicht nur Unsicherheit in Bezug auf Diskriminierungen wegen der sexuellen Identität, sondern damit einhergehend auch oft solche, wegen des Geschlechts, was bei der der Planung daher eine ebenso signifikante Rolle einnimmt. Jede siebte Befragte hat angegeben, während Urlaubsaufenthalten diskriminierende Erfahrungen gemacht zu haben. Diese beschränken sich nicht auf für homophobe Verhaltensweisen bekannte Länder, sondern sind auch merklich in westlichen Kulturkreisen aufgetreten.

Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit.

Auch wenn Lesben auf dem Reisemarkt bisher nur selten direkt angesprochen werden, gibt es Reisebüros und Reiseveranstalter, die Angebote speziell für lesbische und schwule Touristinnen und Touristen anbieten. Circa zwei Drittel der Umfrageteilnehmerinnen können sich vorstellen, eine Dienstleistung eines solchen Anbieters künftig in Anspruch zu nehmen. Außerdem wünscht sich ein überwiegender Teil der befragten Frauen mehr gay-friendly-Unterkünfte, mehr Events für Lesben und mehr Reiseinformationen, die sich speziell an die Zielgruppe der lesbischen Frau richtet.

Die Erkenntnisse der Arbeit und ihrer großen Onlineumfrage haben schließlich gezeigt, dass lesbische Touristinnen durchaus als eigenständiges Segment im LGBT-Tourismus zu sehen sind und ein großes Interesse an auf sie speziell angepasste Angebote haben. Die Frage ist nunmehr, ob sich das vielversprechende Marktsegment in Zukunft etablieren und wachsen wird, wofür die in der Masterarbeit herausgearbeiteten Ergebnisse sprechen oder ob es vielmehr von den einhergehenden Risiken in einer Entwicklung gehemmt wird.

Ein Gastbeitrag von Katia Schuhmacher

L-travel@online.de

Titelbild: ©QueerStars/ PublicDomain (via Vimeo)

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