
Seit der Einführung derEhe für Alle im Jahr 2017 gelten homosexuelle und heterosexuelle Ehen in Deutschland formal als gleichgestellt. Doch im Abstammungsrecht zeigt sich weiterhin eine rechtliche Ungleichbehandlung, insbesondere bei Regenbogenfamilien. Während bei heterosexuellen Ehepaaren das in die Ehe geborene Kind automatisch als gemeinsames Kind gilt, müssen gleichgeschlechtliche Paare häfig einen langwierigen Adoptionsprozess durchlaufen, um die rechtliche Elternschaft beider Partner zu sichern.
Ein aufwendiges Verfahren statt automatischer Anerkennung
Wenn ein Kind in eine Ehe zwischen zwei Frauen geboren wird, erhält die nicht gebärende Mutter nicht automatisch den Status eines Elternteils. Stattdessen muss sie das Kind im Rahmen eines Adoptionsverfahrens rechtlich anerkennen lassen – ein Prozess, der mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden ist.

Die sogenannte Stiefkindadoption erfordert unter anderem einen Antrag beim Familiengericht, die Vorlage eines Führungszeugnisses sowie eine ausführliche Prüfung durch das Jugendamt. In diesem Rahmen kann es zu Interviews, Hausbesuchen und Wartezeiten von bis zu einem Jahr kommen. Auch wenn die soziale Elternschaft der zweiten Mutter im Alltag längst etabliert ist, bleibt sie rechtlich zunächst aussen vor – und ihre Anerkennung kann theoretisch sogar abgelehnt werden.



Herausforderungen für Regenbogenfamilien
Die rechtlichen Hürden betreffen nicht nur den Adoptionsprozess, sondern beginnen bereits mit der Familienplanung. Viele lesbische Paare nutzen eine Samenspende, häufig über Kliniken in Dänemark, da dort die rechtlichen Rahmenbedingungen klarer geregelt sind als in Deutschland. Beide Partnerinnen durchleben die Insemination, die Schwangerschaft und die Geburt gemeinsam, doch vor dem Gesetz ist zunächst nur die gebärende Mutter als rechtliches Elternteil anerkannt.
Nach der Geburt kommt es zur ersten formellen Ernüchterung: Die zweite Mutter kann nicht direkt in die Geburtsurkunde eingetragen werden, da das Formular nur eine Mutter und einen Vater vorsieht. Die notwendige Adoption kann erst nach der Geburt beantragt werden, während sich die Familie parallel um ihr Neugeborenes kümmern muss.
Rechtliche Unsicherheiten im Trennungsfall
Die fehlende automatische Anerkennung der zweiten Mutter kann insbesondere dann schwerwiegende Folgen haben, wenn sich das Paar trennt, bevor die Adoption abgeschlossen ist. Ohne Adoption hat die nicht gebärende Mutter keine rechtliche Grundlage für ein Umgangsrecht oder eine finanzielle Verantwortung. In diesem Fall liegt die alleinige Entscheidungsgewalt über das Kind bei der biologischen Mutter – unabhängig davon, wie stark die zweite Mutter in das Leben des Kindes eingebunden war.


Auch das Kind selbst ist rechtlich schlechter gestellt: Während in heterosexuellen Familien das Kind automatisch zwei rechtlich anerkannte Elternteile hat, ist dies bei Regenbogenfamilien nicht selbstverständlich. Das Abstammungsrecht schätzt das Kind nicht gleichermassen vor den Folgen einer Trennung oder im Fall eines Todesfalls der gebärenden Mutter.
Reformbedarf beim Abstammungsrecht
Zahlreiche Organisationen und Verbände setzen sich seit Jahren für eine Reform des Abstammungsrechts ein, um Regenbogenfamilien rechtlich gleichzustellen. Ein zentraler Punkt ist die automatische Anerkennung beider Mütter in einer Ehe – analog zur Regelung bei heterosexuellen Paaren.
Die bisherige Bundesregierung hat im Januar 2024 Eckpunkte für eine Reform des Kindschaftsrechts vorgestellt, die unter anderem eine Modernisierung des Sorgerechts, des Umgangsrechts und des Adoptionsrechts vorsieht. Ob und wann eine entsprechende Gesetzesänderung umgesetzt wird, bleibt jedoch offen.
Weiterführende Informationen und Petitionen
Nodoption e.V.: Petition zur Reform des Abstammungsrechts
Gesellschaft für Freiheitsrechte: Verfassungsbeschwerde zur Elternschaft
WeAct Campact: Petition für die Gleichstellung von Regenbogenfamilien
Bundesministerium der Justiz: Eckpunkte zur Reform des Kindschaftsrechts