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Die Elternbeichte – Die ersten 5 Jahre mit Kind

Am Ende des Jahres und ein paar Tage vor dem Weihnachtsfest dachte ich mir, einfach wieder einmal auf meine eigenen Erfahrungen zurück zu blicken und mit meinen Lesern zu teilen, wie sehr sich eigentlich mein eigenes Leben verändert hatte, seitdem ich vor knapp 5 Jahren am 27.12.2014 in Mexico Vater wurde. 

Ich hatte die Entscheidung, irgendwann einmal eine Familie zu gründen, bereits Ende der 90er Jahre getroffen, als RTL von einem englischen Schwulen Pärchen berichtete, das dank der Leihmutterschaft Väter geworden war und irgendwann eine ganze Rasselbande Zuhause hatte. Die Engländer waren Millionäre und besser situiert als ich, aber das konnte mich nicht von meinem Vorhaben abbringen. 

Als ich dann selbst am zweiten Weihnachtstag im Flugzeug Richtung Mexico saß, ließ ich mein bisheriges Leben als lebens- und reiselustiger Single in New York zurück, der seine Zeit am liebsten im Fitness Studio oder in den Night Clubs in Manhattan verbrachte und es sollte ganze 5 Monate dauern, bevor ich mit meinem Baby wieder in die USA einreisen sollte. 

Ich denke, dass die Herausforderungen in den ersten zwei Jahren darin bestand, dass ich im ersten Jahr akzeptieren musste, dass das Kind immer an erster Stelle steht und ich im zweiten Jahr erkannte, dass von meinem eigenen Leben nicht mehr viel übrig geblieben war. Plötzlich wurde „man“ nicht nur älter, sondern fand sich in einem Umfeld wieder, dass einen früher immer abgeschreckt hatte. 

Im zweiten Jahr erkannte ich dann auch, was mich Jahrzehnte lang belastet hatte und um für meine Tochter der bestmögliche Vater zu sein, entschied ich mich schließlich, mich mit den Dämonen meiner Vergangenheit und Gegenwart auseinanderzusetzen, was meine eigene unglückliche Kindheit und Jugend einschloss. Von dem Moment an ging ich auf eine Reise und hatte keine Angst davor, Konfrontationen zu suchen oder mich mit Realitäten auseinanderzusetzen. 

Vater zu werden ist etwas, was von einem zum nächsten Moment passierte und auch wenn es dafür keine Gebrauchsanleitung gibt, fiel mir das eigentlich nicht schwer. Wenn ich mich an diese 5 Jahre mit meiner Tochter erinnere, dann denke ich, dass wir uns von dem Moment an nahe war, in dem man sie mir in meine Arme legte und ich werde nie vergessen, als sich die Tür öffnete und sie mich zu ersten Mal traf; ihre kleine Hand griff nach meinem Finger, was sich bis zum heutigen Tag nicht geändert hat. 

Den Gang zum Fitness Studio sollte ich bis heute nicht aufgeben und schnell schloss ich einen Vertrag mit Equinox ab, die Kids Clubs bieten, so dass der Nachwuchs unterhalten wird, während die Eltern 2 Stunden lang trainieren. Und mit 5 Monaten kam mein kleines Mädchen bereits in die KiTa, da ich ja auch wieder mit dem Arbeiten anfangen musste. In der KiTa lernte ich dann auch andere New Yorker Eltern kennen, mit denen ich noch heute befreundet bin. 

Viele deutsche Freunde und Bekannte fragen dann immer, wie es denn so mit der Akzeptanz als alleinerziehender Vater aussieht. Ich denke, dass wir hier in New York auf jedem Fall den Vorteil haben, dass die sogenannten Regenbogenfamilien hier zum normalen Alltag gehören. Auf der anderen Seite sind wir aber auch eine sehr aktive Familie und unser Umfeld hat sich irgendwann an uns gewöhnt und realisiert, dass ich ein sehr glückliches und aufgewecktes Kind habe. 

In meinem 3. Jahr als Vater entdeckte ich schnell, dass wir ein paar Gemeinsamkeiten haben und während ich früher mit Freunden auf Fire Island anzutreffen war, mache ich heute diese Trips mit meiner Tochter. Da wir beide die Liebe zum Tanz teilen, bringe ich sie jeden Samstag voller Stolz zur Jacqueline Kennedy Onassis School des American Ballett Theaters. Außerdem fliegen wir einmal im Jahr Kalifornien zur Gala der Debbie Allen Dance Academy und feiern mit den anderen Cast Mitgliedern von Greys Anatomy. Seit dem letzten Jahr darf meine Tochter dann mit auf die After Party, was aber auch eher die Ausnahme ist. 

Sie hat bereits mit 2 Jahren realisiert und auch akzeptiert, dass sie nur ein Elternteil hat und es hat ihr sicherlich geholfen, ein Mädchen in der Kita mit 2 Vätern getroffen zu haben. Sie weiß, dass ihr Daddy gerne einen Boyfriend hätte und scheint auch nichts dagegen zu haben. Ich denke, dass uns das Umfeld in New York da sicherlich sehr geholfen hat. 

Ein weiterer Vorteil scheint für sie zu sein, was einen schwulen Vater angeht, dass ich ein gutes Auge für ihre Kleider habe und wir beide viel Spaß haben. Ich bin sicherlich manchmal etwas streng, aber ich denke oft, dass sie meine beste Freundin ist und ich liebe es, mich mit ihr über alle möglichen Dinge zu unterhalten. Ich denke dabei oft, dass mein eigenes Leben sie prägt und hoffe, ein gutes Vorbild zu sein. 

Sie hat mich bereits als Baby zum alljährlichen AIDS Walk in New York begleitet und war im April an meiner Seite, als wir mein neues Buch „Live as Heroes“ gefeiert haben, das für den AIDS Walk ganze USD 4,025 an Spendengeldern einbrachte. Sie selbst macht sich Gedanken über Obdachlose in der City und wie sehr sie in ihrem Alltag leiden und ist in ihrer Entwicklung sehr weit. 

Ich raffe mich aber auch auf dem Spielplatz auf, auch wenn man manchmal lieber auf der Bank sitzen bleiben würde. Ich organisiere immer Playdates mit ihren Freunden am Wochenende und achte darauf, dass sie Zugang zu vielen Gleichaltrigen hat. Aber irgendwie war ich immer dabei, jeden Morgen bringe ich sie zur Schule und hole sie abends wieder ab und bin immer für sie da. 

5 Jahre nachdem ich am Tag nach Weihnachten Vater geworden bin, kann ich ehrlich sagen, dass es bisher eine faszinierende Reise gewesen ist, und die Liebe des eigenen Kindes durch nichts zu ersetzen ist. Aber ich bin auch erleichtert, dass ich immer auch ein Leben für mich selbst beansprucht habe und mir selbst treu geblieben bin. 

Ich bin froh, dass ich irgendwann nicht mehr auf die Partys gehen wollte, aber gerade durch das Schreiben habe ich wahrgenommen, noch gehört zu werden und eine eigene Stimme zu haben, da sich mein Umfeld in den ersten Jahren nur für mein Baby begeistert hatte und es um Nichts anderes mehr ging. 

Ich bin heute älter und reifer geworden; ich habe gelernt, dass es nicht mehr nur um mich geht, ich habe gelernt, geduldiger zu sein und mich selbst ab und zu nicht zu ernst zu nehmen und ich habe gelernt, die Welt auch einmal mit Kinderaugen zu sehen…. Das sind alles sehr schöne Dinge… 

Bild: Canva.

Written by Derek Meyer

Derek Meyer wird im Rahmen einer Artikel Serie über das Leben in New York schreiben. Er hatte bereits in seinem Debüt Roman „Coming Out in New York“ die Auf und Abs des Lebens in der New Yorker Gay Szene beschrieben und meldete sich knapp 2 Jahre später mit seinem zweiten Buch „Baby, Fame & Inspiration“ zurück. Beide Bücher sind auf www.tredition.de und Amazon erhältlich.

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