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Dampfplauderer Westerwelle

Es gehört zu den unangenehmsten Eigenschaften von vielen sich im Ruhestand befindlichen Politikern, infolge einer oft unerwarteten Langeweile, die sich in deren Leben breit gemacht hat, ihren Mund nicht halten zu können. Geht ein Arbeitnehmer in Rente, betritt er gewöhnlich seinen früheren Arbeitsplatz nicht mehr. Geht ein Politiker infolge seiner Abwahl in Pension, betritt er die Fernsehstudios und Redaktionsräume. So wie Guido Westerwelle, der schwule Ex-FDP-Chef und Ex-Aussenminister. Was der Mann allerdings in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Stern“ abzieht, ist an Frechheit kaum zu überbieten. Von 2005 bis 2013 sass Westerwelle am Kabinettstisch von Angela Merkel, dem Tisch also, wo jegliche Gesetzesvorlage, die die Diskriminierung von Homosexuellen hätte beseitigen können, abgeschmettert wurde. In seiner Zeit als Vizekanzler sass er sogar neben Angela Merkel. Nun ist der schwule Guido nicht mehr in Amt und Würden, und wer ist in seinen Augen schuld an der ganzen Misère: Angela Merkel. Jene Angela Merkel, die ihn und seinen Mann zu ihrem 50. Geburtstag einlud, ihn gar in die erste Reihe setzte und ihm so die Gelegenheit zum Coming-out gab. Ist das zu fassen? Was denkt der Mann sich? Die Kritik, wonach sich Guido Westerwelle bei seinen Besuchen in arabischen Ländern nicht zur dortigen Diskriminierung von Homosexuellen geäussert hat, ist natürlich vollkommener Quatsch. Westerwelle war zuallererst Aussenminister, und seine sexuelle Orientierung sollte bei Politikern insgesamt keinerlei Rolle spielen. Intern aber, mit der Macht seines Amtes, hätte er sich für die Homosexuellen stark machen können, was er erkennbar nicht getan hat. Jetzt aber davon zu reden, die Gleichstellung von Homosexuellen mit Heterosexuellen sei „an Angela Merkel gescheitert“, ist der Akt eines widerlichen Nachtretens und haut dem Fass den Boden aus. Westerwelle, um es zu wiederholen, sass nämlich immer mit am Tisch. Somit war und ist Guido Westerwelle ein unerträglicher Dampfplauderer.

Foto: © Christliches Medienmagazin pro /CC-BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons)

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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