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CDU/CSU und ihr Menschenbild: Wie die Union sich versündigt

Will in der Union in Sachen Ablehnung von Homorechten den Ton angeben: Katherina Reiche

Die CDU-Bundesvorsitzende, Kanzlerin Dr. Angela Merkel, hatte in der vergangenen Woche gehofft, dass in der Diskussion um die Homo-Ehe Ruhe einkehrt. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt hat. Schlimmer noch: Die Spitzen von CDU und CSU lassen es seit dem ohne Not zu, dass sich die Union in dieser Frage geradezu versündigt. Ohne Not deshalb, weil sie eine der wichtigsten Regeln der Krisen-PR nicht bedacht hat und offensichtlich auch weiterhin nicht bedenken will: Die beste Krise ist die, die erst gar nicht entsteht. Nein, die Union zerlegt sich lieber. Sie wäre aber gut beraten gewesen, wenn sie das Abstimmungsverhalten ihrer Abgeordneten im Deutschen Bundestag gerade wegen des C in ihrem Parteinamen freigegeben, und damit ein christliches Bekenntnis dahingehend abgeliefert hätte, dass sie der Gewissensentscheidung ihrer Parlamentarier einen höheren Stellenwert beimisst als irgendwelchen Machtgefügen und -rangeleien. Frau Merkel und Fraktionschef Volker Kauder haben dies aber nicht nur nicht getan. Nein, sie überlassen auch noch Quartalsirren wie Alexander Dobrindt, Katherina Reiche (Bild) oder Norbert Geis das Feld, Leuten also, die mindestens (!) alle drei Monate in den Talkshows dieser Nation irgendeinen Schwachsinn absondern. Warum nur tun Frau Merkel und Kauder das? Wieso überlassen sie solchen Leuten die Deutungshoheit in einer Frage, in der es um die Belange von Menschen geht? Und in diesem Zusammenhang: Warum beruft sich CDU/CSU nicht einfach auf ihr christliches Menschenbild und sagt Ja! zur Gleichstellung homosexueller Menschen mit heterosexuellen Menschen? Und worin liegen eigentlich die Gründe, dass Frau Merkel und Kauder, von Horst Seehofer mal ganz zu schweigen, die Homosexuellen in ihrer Partei nicht ausdrücklich und öffentlich in Schutz nehmen, Menschen, die sich somit völlig ungeschützt von der Parteispitze von Pöblern wie CSU-Generalsekretär Dobrindt als „schrille Minderheit“ abkanzeln lassen müssen? Die Antwort auf diese vielen Fragen ist klar: Die Union hat sich in dieser Diskussion völlig verrannt. Sie hat eine unselige und unsägliche Diskussion vor sich hin laufen lassen, die ihnen nun zunehmend um die Ohren fliegt. Eine Diskussion, in der es führende Politiker von CDU/CSU wie Katherina Reiche sogar geschafft haben, die Richter des höchsten deutschen Gerichts, des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) also, als Deppen da stehen zu lassen, die mit ihren Grundsatzurteilen lediglich schrille Minderheiten bedienen. Dass sich Leute wie Frau Reiche weigern, die Feststellung des BVerfG zu akzeptieren, wonach eine Homo-Ehe die Werte der „klassischen“ Familie eben nicht aushöhlt, lässt die Union insgesamt als bockige Wirklichkeitsverweigerer dastehen. Stellt man nun diese Respektlosigkeit von Spitzenpolitikern der Union vor den Urteilen der Karlsruher Richter in einen Kontext mit der Respektlosigkeit von Spitzenpolitikern der Union vor homosexuellen Menschen, dann wird klar: Mit dem christlichen Menschenbild von CDU/CSU kann es nicht so weit her sein. Es sei denn, das christliche Menschenbild der Union bezieht sich nur auf die Dobrindts, Geises und Reiches in CDU/CSU. Morgen wird es sich im Deutschen Bundestag zeigen, ob das so ist.

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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