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Buchtipp: Wieso schwules Leben harte Arbeit und der Sex banal ist

Sirko Salka war von 2008 bis 2013 Chefredakteur des Berliner schwul-lesbischen Magazins „Siegessäule“. In dieser Zeit hat er das Heft nicht nur zu einem der renommiertesten seiner Art in ganz Deutschland gemacht, sondern darüber hinaus die Szene mit seinen intelligenten und scharfsinnigen Editorials auch gerne mal aufgemischt. Das wird ihm nun sicherlich auch mit seinem ersten Buch „Banal-Sex. Wieso schwules Leben harte Arbeit ist“ gelingen.
Der Autor mag seine Rezension mit einer Kritik beginnen, was damit zu tun hat, dass er sich das Salka-Buch in einem türkischen Imbiss im beschaulichen Loburg, ein Nest im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt, zu Gemüte führte. Die Loburger Döner-Fans, dies verrieten ihre Blicke, werden nicht nur über das regelmässig auftretende laute Lachen eines merkwürdig kleinen Mannes aus Berlin verwundert gewesen sein, sondern auch über das Cover. Es zeigt einen gutgebauten nackten Mann mit träumerisch verschlossenen Augen, sein Gemächt ist ordnungsgemäß verkrisselt, die Titten mit Photoshop auf spitz und rot getrimmt. Keine Ahnung, was sich der Querverlag bei diesem Buchtitel gedacht hat, denn er ist schlicht blöde, da unpassend.

Wenn Schwule sich zu Tode heterosexualisieren …

Aber genug der Meckerei, denn der Inhalt zählt ja bekanntlich, und der ist nun wirklich der Knaller. Sirko Salka liefert mit „Banal-Sex“ eine umfassende und dabei durchaus gelungene Analyse schwuler Lebensweisen. Er tut das, indem er sich kapitelweise mit sieben Todsünden beschäftigt: Hochmut, Neid, Zorn, Trägheit, Habgier, Völlerei und Wollust. Von Anbeginn an ist klar: Hier nimmt sich ein schwuler Autor auf den Arm und die Szene gleich mit. Er tut dies nicht moralinsauer oder hochnäsig, sondern er schreibt witzig, manchmal gar gallig und stellt alles in allem fest: „Wir heterosexualisieren uns zu Tode.“ An anderer Stelle wiederum beschreibt er die Verschwulung der Heteros. Alles dies kommt wunderbar leicht daher, und unweigerlich fallen einem da diese unvollendeten Witze ein, die eben deshalb witzig sind, weil sie unvollendet bleiben können. Zum Beispiel der: Treffen sich zwei selbstkritische Schwule … Nein, dieser Witz bedarf keiner Vervollkommnung, weil sich schwule Männer selten durch selbstkritische Betrachtungen auszeichnen. Warum auch, es reicht ihnen ja, schön zu sein und klug, sie sind besser als die Heten und dabei – nun ein lauter Tusch! – schlicht und ergreifend unwiderstehlich. Für Salka, und sicher nicht nur für ihn, indes gilt eher: Die sexuelle Identität der Schwulen ist nicht nur normal, sondern dabei auch banal. Sirko Salka schreibt Sätze, die zum Schreien komisch sind, etwa der: „(…) irgendein mir fast schon Brechreiz verursachender Regenbogenschnickschnack (…)“ und gibt „popolärwissenschaftliche“ Überlegungen über unseren Arsch ab.

Ältere Schwule und der Peter-Pan-Effekt

Und wenn man Salkas Analyse über reifere schwule Männer liest, zu denen der Autor des Buches mit seinen 37 Jahren genauso gehört wie der 50-jährige Autor dieser Rezension, dann fällt man vor Lachen vom Stuhl: „Wir Schwule machen locker bis 40, 50, 60 einmal die Woche Party, besaufen uns mit Jungs, die unsere Enkel sein könnten. Orientieren uns auch gern an deren Outfits. Tragen Trägerhemden, umgekrempelte Hosen und Chucks an den Flossen sowie chic ein Cappy (sic!) auf dem Kopf. Wagen die gleichen Tänze. Werfen die gleichen Pillen ein. Fühlen uns dadurch jünger. Nennen uns Boys. Die typische Peter-Pan-Nummer.“ Ob das stimmt, was Sirko Salka da schreibt? Ein Blick vor die Eingangstür von „Beate Uhse“ am Bahnhof Zoo oder in „Gayromeo“ beweist: Klar stimmt das! Um es klarzustellen: Das Buch ist bei aller Kritik an unserem Konsumverhalten, unserer fehlenden Toleranz Andersdenkenden gegenüber oder dem Schönheitsdiktat, dem wir uns allzu gerne unterwerfen, keine Abrechnung, was Sirko Salka in einem „Siegessäule“-Gespräch mit Malte Göbel selbst klarstellt: „Es gibt keinen Grund abzurechnen: Ich bin glücklich mit allem, was war. Es ist eher ein Abschluss, jetzt bin ich noch mal von A bis Z durch den ganzen Homo-Schlamassel gewatet (…).“ Bleibt zu klären, für wen dieses Buch geeignet ist? Eigentlich für fast alle. Für Schwule, die szenegenervt sind und Bestätigung in ihrer kritischen Haltung suchen. Für Schwule, die nicht im typischen Tucken-Takt wippen wollen aus Angst davor, vollends die Orientierung zu verlieren. Für Schwule, die über sich lachen können. Aber auch für Heteros, die aus erster Hand wissen wollen, wie es gelingen kann, wenn die „Gegenseite“ wunderbar und bescheuert zugleich ist.

Sirko Salka: „BANAL-SEX. Wieso schwules Leben harte Arbeit ist“. Erschienen im Querverlag. ISBN 978-3-89656-216-6. 14,90 Euro

Foto: © Querverlag

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Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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