Es gibt einen schönen Spruch in Deutschland: Immer wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her! Mit Blick auf die anhaltenden Streitigkeiten des Berliner CSD e. V. mit Teilen der LGBT-„Community“ ließe sich das trefflich so umwandeln: Immer wenn du denkst, schlimmer geht es nicht mehr, dann kommt von irgendwo neues Ungemach daher. Doch – immerhin – gibt es inzwischen auch Positives zu berichten.
Bankrotterklärung der LGBT-„Community“
Eines – so viel Ehrlichkeit muss sein – vorneweg: Der Autor dieses Meinungsartikels war bei der gestrigen CSD-Mitgliederversammlung nicht dabei, und die Informationen im nachfolgenden Text entstammen einer Recherche, in deren Verlauf wir mit Mitgliedern des CSD e. V. und den anwesenden Gästen des gegnerischen Fördervereins gesprochen haben. Beginnen wir bei alledem unbedingt mit dem Positiven, und das hat durchaus Gewicht: Es präsentierte sich gestern ein Vorstand, der – inklusive Robert Kastl – sich bei gemachten Fehlern einsichtig zeigte, und zwar, so berichten es beide Seiten, auf eine sehr glaubwürdige Art und Weise. Alleine die Tatsache, wonach im Vorfeld sogar eine Gruppe eingerichtet wurde, die eine Art „Fehleranalyse“ entwickeln soll, bedarf einer ehrlichen Anerkennung. Ja, der Vorstand des Berliner CSD e. V. war nicht nur bemüht, Gräben zuzuschütten, sondern wirklich und ernsthaft daran interessiert, dass dies auch gelingt. Auch dies wird gegenüber queerpride.de nicht nur von Mitgliedern des CSD-Vereins, sondern auch von den Leuten des Fördervereins gewürdigt, denen es gestern erlaubt war, dieser Mitgliederversammlung beizuwohnen. Einiges aber liegt unverändert wie dichter Mehltau auf den positiven Meldungen über diesen Abend. Erstens: Die Berliner LGBT-„Community“ hat sich spätestens seit gestern als Community verabschiedet, und die, die da saßen – auch das vermelden beide Seiten in dieser Auseinandersetzung – präsentierten sich bei nur wenigen Ausnahmen als abnickende Luschentruppe. So wurde die vom Vorstand ausgegebene Marschrichtung, wonach das Eingestehen von gemachten Fehlern eine gute Grundlage zur offenen und ehrlichen Diskussion ist, nicht nur nicht genutzt, sondern man ließ zum Beispiel einen Herrn mit österreichischem Akzent (es war nicht Robert Kastl) weitgehend kritiklos dabei gewähren, in einem lausigen „Alles-ist-sch****-Wortbeitrag mit dem Hintern das einzureißen, was zuvor vom Vorstand des Berliner CSD e. V. aufgebaut worden ist. Der Herr entschuldigte sich später zwar für seinen giftsprühenden und weitgehend sinnfreien Beitrag, doch passte dieser Auftritt so gar nicht in eine Stimmung, die ohnehin dadurch etwas Düsteres hatte, weil man es den beiden Vorstandsmitgliedern Sissy Kraus und Reinhard Thole geradezu ansehen konnte, wie sehr sie die vergangenen Monate mitgenommen haben. Da konnte es keinen verwundern, dass etwa Thole ankündigte, als CSD-Vorstand nicht mehr zu kandidieren.
Nicht der Vorstand ist das Problem, sondern die „Transparenzkommission“
Geradezu unfassbar macht es, dass es weit über die Hälfte der Mitglieder des Berliner CSD e. V. überhaupt nicht für notwendig empfanden, bei dieser wichtigen Versammlung zu erscheinen. Dies vor allem vor dem Hintergrund des massiven Ausmasses der Auseinandersetzung in der Hauptstadt, über die sich nicht wenige LGBTler in Köln, Hamburg, München und anderswo entweder totlachten, oder aber ungläubig den Kopf darüber schütteln ließen, was in Berlin so abgeht. Die gestern anwesenden rund vierzig LGBT-Menschen hätten fast alle „ein Devot-Sein an den Tag gelegt, dass einem schlecht wurde“, so ein Gast, und es ist vor allem zu kritisieren, dass viele von denen, „die ansonsten ständig bei ‚Facebook‘ ihr Maul aufreißen“, gestern durch Abwesenheit glänzten. Und noch ein weiteres Problem wurde thematisiert und dabei wie so oft nicht gelöst. So sind Antworten auf rund 300 Fragen an den Vorstand des Berliner CSD e. V. unverändert den Fragestellern nicht zugegangen, darunter befinden sich rund vierzig Fragen und Unterfragen von queerpride.de. Fragen, die unter anderem die Finanzen des Vereins und die Verbindungen zwischen dem Berliner CSD e. V. (Geschäftsführer: Robert Kastl) mit dem privaten Unternehmen Publikom! GmbH (Geschäftsführer: Robert Kastl) betreffen. Für viele erstaunlich: Der Vorstand selbst hat die Antworten seit Monaten schon gegeben und diese an die gloriose „Transparenzkommission“ weitergeleitet, wo sie seitdem vor sich her schimmeln. Damit wird der Name dieser ohnehin merkwürdigen Einrichtung geradezu ad absurdum geführt! Kommissionsmitglied Petra Nowacki kündigte einmal mehr vollmundig an, dass die Fragen nunmehr bis zum 1. Oktober 2014 an die richtigen Adressaten weitergeleitet werden sollen (dabei ähnelt sie inzwischen Mehdorn mit seinen BER-Eröffnungsterminen), und die monatelange Verzögerung sei damit zu erklären, dass man in der Kommission noch immer an der Formulierung von Einschätzungen über die Antworten des Vorstands arbeite. Einschätzungen übrigens, die diese Redaktion nur bedingt interessieren, weil Journalisten durchaus in der Lage sein sollten, Angaben selbst gegen zu recherchieren. Bliebe noch zu erwähnen, dass eine große Mehrheit der gestrigen Mitgliederversammlung das Mitglied Henry Jaworek ausgeschlossen hat. Unter anderem wurde das mit vereinsschädigendem Verhalten begründet, das unzweifelhaft dann vorliege, wenn ein Mitglied einem Verein öffentlich den Krieg erkläre. Das wiederum verwundert, denn die „Kriegserklärung“, auf die sich der Verein bezieht, wurde dem Autor dieses Beitrags nicht von Jaworek in den Block diktiert, sondern vom Fördervereinvorstand Andreas Löst. Insofern werten etliche Beobachter den Ausschluss von Jaworek als Warnsignal an Löst, dessen Beiträge unter anderem bei „Facebook“ zum Teil wenig hilfreich sind, da sie spalten. Genau das will der Vorstand des Berliner CSD e. V. nun offenbar ändern, und er weiß etliche Personen des ehemaligen Aktionsbündnisses dabei hinter sich. Noch ist Berlin also nicht verloren…