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Barbara Hendricks: Die Fragwürdigkeit von Politiker-Outings

© Freud /CC-BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons)

Was haben Klaus Wowereit, Ole von Beust, Guido Westerwelle und die neue Bundesumweltministerin Barbara Hendricks gemeinsam? Sie waren und sind Politiker, und sie haben sich öffentlich als schwul oder lesbisch geoutet. Gemein ist ihnen aber allen auch dies: Sie haben es viel zu spät getan!
Barbara Hendricks wird seit Jahresbeginn von der LGBT-Community für ihr „mutiges“ Outing gefeiert. Das ist so gesehen erst mal völliger Quatsch. Mutig ist nur die- oder derjenige, wer in irgendeinem bayerischen Kaff lebt oder auf einer Hallig und sagt: „Ich bin homosexuell!“. Aber bei Frau Hendricks ist wie weiland bei Wowereit, von Beust und Westerwelle Mut überhaupt nicht zu erkennen. Im Gegenteil! Wowereit, der von den Schwulen unsinnigerweise als Held Gefeierte, hat sich erst geoutet, als ihm gesteckt wurde, dass, würde er es beim SPD-Parteitag aus Anlass seiner Nominierung für das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, nicht tun, ein Springer-Blatt es am Tag darauf tun würde. Mut, wahrhaftiger Mut sieht anders aus. Das gilt auch für Guido Westerwelle, der seine Homosexualität erst dann öffentlich gemacht hat, nachdem (!) er Bundesaussenminister geworden war. Und Ole von Beust (Foto) hat sich mit seinem wesentlich jüngeren Freund erst dann in der Öffentlichkeit als schwules Paar präsentiert, nachdem (!) er zurückgetreten war als Erster Bürgermeister von Hamburg. Dass von Beust nach seinem Rücktritt viel Zeit hatte und ein Buch schreiben konnte über die Notwendigkeit des glaubwürdigen Handelns in der Politik, macht den Fall Ole von Beust zu einem besonders krassen in punkto schleimspurbegründeter Anbiederung. Und Frau Hendricks? Ähnlich wie Westerwelle muss man den Eindruck gewinnen, sie hat auch erst ihre Karriere in trockene Tücher gebracht, bevor sie diesen wahnsinnig „mutigen“ Schritt mithilfe eines Interview-Nebensatzes gegangen ist. Wirklich mutig wäre es gewesen, wenn sie sich vor (!) der Bildung der Bundesregierung geoutet hätte. In der Zeit also, in der Journalisten belustigt beobachtet haben, wie sich Frau Hendricks während den Koalitionsverhandlungen selbst dann hartnäckig einen Platz auf den Pressefotos verschaffte, auf denen sie gar nichts zu suchen hatte. Oder aber wirklich mutig wäre es gewesen, wenn sich Westerwelle im piefigen Bonn Anfang der 1990er Jahre, als es den Strafrechtsparagraphen 175 noch gab, HIV und AIDS als exklusive Krankheit von Schwulen galt und CSU-Politiker Internierungslager forderten für AIDS-Kranke, geoutet hätte. Ein frühzeitiges Outing dieser Politiker also wäre mutig gewesen und hätte den verängstigten Lesben in Schwulen in den bayerischen Käffern oder auf den Halligen geholfen. Sie hätten sagen können: Seht her, als Homosexueller kann man sogar Bundesminister werden, es ist also völlig normal! Doch so, wie diese Politiker-Outings abgelaufen sind und aktuell ablaufen, ist es Opportunismus in Reinform. Und deshalb bedeuten diese Outings im Grunde nur eines: Nichts!

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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