in

Wenn Katholiken sich zum Affen machen

Katholiken Papst Franziskus Gemeinde
Foto: queerpride.de

Das hatten sich ein paar katholische „Gläubige“, man beachte bitte unbedingt die relativierenden “ „, eigentlich so schön vorgestellt. Sie wollten französische Verhältnisse nach Deutschland transportieren, wollten also, was übrigens sehr un-katholisch ist, all die Wut, den Hass und wohl auch die Gewalt nach Deutschland holen, die vor wenigen Wochen in Frankreich gegen homosexuelle Frauen und Männer gerichtet war.

Erinnern wir uns: Ein Bündnis aus homophoben Religionsfanatikern und konservativen Politikern hat unser Nachbarland wochenlang mit Demonstrationen gegen die „Ehe für alle!“ in Atem gehalten. Ja, man kann sagen, dass sich das Land im Ausnahmezustand befand, sich dort gar eine progromartige Stimmung breit machte, die nur noch von Russland getoppt wird.

Die Vorgänge in Frankreich werden hierzulande manche Katholiken in arge Erregungszustände versetzt haben, und so wollten sie die Bewegung „La Manif pour Tous“ denn auch in Deutschland etablieren nach dem Motto: Was da geht, das muss hier doch auch gehen! Nach einer Wallfahrt von 100 „Gläubigen“ veranstaltete man als Auftakt in München eine „Kundgebung für die Ehe zwischen Mann und Frau“.

Und wie viele kamen? Ganze 60 selbsternannte Kreuzritter verloren sich auf dem Karlsplatz, die 40 anderen Teilnehmer der Wallfahrt müssen unterwegs beim Büßen irgendwie verlustig gegangen sein. 60, man betone es, 60. Französische Verhältnisse? Zum Totlachen! Und es war nicht nur von der Teilnehmerzahl eine geradezu beschämende Veranstaltung, in deren Verlauf sich die wallfahrenden „Gläubigen“ so richtig schön zum Affen gemacht haben.

Gottlob (!) hatten sie jedoch keinerlei Chance, ihren Quatsch zum Besten zu geben, denn 300 homo- und heterosexuelle Menschen machten den Katholikeneiferern lautstark klar, dass sie ihre ewiggestrigen Ansichten nicht teilen. Die 60 wurden mit Pfiffen und Rufen schlicht übertönt, und so beschwerten sich die 60 anschließend über „Demokratiedefizite“, die sie bei den Gegendemonstranten auszumachen glaubten.

Barer Unsinn dies, es gibt in Deutschland einen breiten Konsens darüber, dass es richtig ist, etwa bei NPD-Demonstrationen durch lautstarke Gegenveranstaltungen klarzumachen, wer die wirklichen Mehrheiten in diesem Land stellt. Und was bei Aufmärschen von Rechtsextremisten richtig ist, das kann bei Fanatikern nicht falsch sein. Interessant: Unter den Gegendemonstranten waren auch eine Menge Katholiken, mit denen die queerpride.de-Redaktion gesprochen hat.

Katholiken, die sich (fremd)schämen über die arrogante Rechthaberei der Hardcore-Fraktion. Katholiken, die keine Lust mehr haben, sich anhören zu müssen, dass sich ein Kind nur dann gedeihlich entwickelt, wenn die Eltern Frau und Mann sind. Katholiken, die die Heilige Schrift ehren und diese infolgedessen niemals so auslegen würden, wie es ihnen gerade in den Kram passt.

Katholiken, die in der Katholischen Kirche die Mehrheit sind und denen der Autor mehrfach versprechen musste, dass ihr Name in diesem Text nicht erscheint, weil sie Angst vor den Eiferern haben. Das letztere, das ist wohl das Unerträglichste an dieser Berichterstattung.

Die Facebook-Seite für Hardcore-Kreuzritter: „Wir bleiben katholisch“

Diese Ängste sind übrigens nachvollziehbar, denn was passiert, wenn ein katholischer Christ den Hardcore-Kreuzrittern mal widerspricht, das kann man zum Beispiel auf der unsäglichen Facebook-Seite „Wir bleiben katholisch“ verfolgen. Da wird gehetzt, gespuckt und um sich geschlagen, dass die Schwarte kracht, kritische Frauen werden da auch schon mal als „Tussi“ verunglimpft, Andersdenkende aufgefordert, die Gruppe zu verlassen.

Virtuelles Mobbing vom Feinsten. Ja, bei manchen Kommentarverläufen muss man unweigerlich den Eindruck gewinnen, dass sie direkt zum Scheiterhaufen führen. „Wir bleiben katholisch“ ist eine geschlossene Gruppe bei Facebook, aber wenn man so liest, was einige da absondern, hat man eher den Eindruck, man sei in einer geschlossenen Anstalt.

Die Vorstellung, dass diese Fanatiker an jedem Sonntag in die Kirche latschen, um dort das Vater unser! und, noch schlimmer, das Confiteor (Schuldbekenntnis) vor sich her zu heucheln, ist da wirklich kaum auszuhalten. Der Autor dieses Beitrags, selbst katholischer Christ, hat diesen 60 Hanseln auf dem Münchner Karlsplatz übrigens direkt in ihre Gesichter geschaut.

Viele hatten gar kein Gesicht. Sie hatten Fratzen. Hasserfüllte Fratzen. Mit ihrem Hass auf Homosexuelle und überhaupt auf Andersdenkende verwirken sie aber automatisch das Recht, sich wahrhaft als Christen bezeichnen zu dürfen, denn ein aufrechter Christ hasst nie. Niemals! Hassende „Christen“ sind Fanatiker. Damit sind sie, und das ist wohl der schwerwiegendste Vorwurf, den man gegen solche Leute erheben kann, armselig.

Bild: boe/queerpride

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

Darren Young

Outing: US-Wrestler Darren Young ist schwul

Leichtathletik-WM vorbei, Homophobie-Debatte hält an