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Jurgen Daenens, die LSU und falsche Themen

© Turris Davidica /CC-BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons)

Berlins LSU-Chef Jurgen Daenens läuft ohne Mandat beim „Marsch für das Leben“ mit. Nicht nur damit hat er sich als Vorsitzender disqualifiziert.

Der LSU steht das Himmelreich offen

Der Vorsitzende der Lesben und Schwulen in der Union von Berlin (LSU), Jurgen Daenens, kann so richtig fröhlich sein. Besonders lustig soll es wirken, wenn er bei LGBT-Veranstaltungen Mützen und Klamotten mit knalligen Farben trägt. So kann man, wer es denn will, den Jurgen Daenens in der Masse immer schnell ausmachen, und wer ihn dann eine zeitlang beobachtet, bekommt den Eindruck, der Mann befindet sich irgendwie auf der falschen Veranstaltung. So war es auch am 20. September 2014 in Berlin, als Jurgen Daenens beim „Marsch für das Leben“ (unser Foto zeigt eine Demonstration aus dem Jahre 2012) mit marschierte. Das kann er als Privatperson natürlich gerne tun, und seine Teilnahme war, was bezeichnend ist, ja auch tagelang niemandem aufgefallen. Ja, man hätte Jurgen Daenens nicht mal vorhalten können, dass er sich bei Leuten eingereiht hat, die Homosexuelle ganz schlimm finden, manche der „Marsch-für-das-Leben“-Fans faseln gar davon, es gebe sie, die „diabolische Falle der Homosexualität“. Geschenkt dies, auf fast jeder Demonstration gibt es Irre. Das Problem des Jurgen Daenens ist nur, dass er sich während der Demonstration mit einem Kreuz in der Hand ausgerechnet von der ZDF-Satiresendung „heute-show“ interviewen ließ, und dabei mit selig-entrücktem Blick verkündete, das Tor zum Himmelreich sei für ihn schon deshalb weit geöffnet, weil er ja „der Vorsitzende der Lesben und Schwulen in der Union (…)“ sei. Passenderweise mutmaßte daraufhin der ZDF-Satiriker, dann sei der Jurgen Daenens wohl – siehe den Beginn dieses Beitrags – auf der falschen Veranstaltung, was dieser dann aber klar verneinte.

Was hat ein Schwuler zur Abtreibung zu sagen?

Damit ist er als LSU-Vorsitzender schlicht und ergreifend untragbar geworden. Zum einen stellt sich vom Grundsatz her die Frage, was ein homosexueller Mann auf einer Demonstration zu suchen hat, in deren Verlauf nicht wenige Teilnehmer der Frau ihr Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper absprechen. Gut, auch darüber ließe sich heftig streiten. Was aber ganz und gar unmöglich ist, ist die Tatsache, dass Jurgen Daenens kein Mandat hatte, am „Marsch für das Leben“ als LSU-Vorsitzender (!) teilzunehmen. Weder vom Landes-, noch vom Bundesverband. Dort sind manche aus allen Wolken gefallen, was schon einige Tage zuvor der Fall war, als Daenens einem Journalisten wütende Mails schrieb und diesem dabei vorwarf, schlecht zu recherchieren, schlecht zu schreiben und Quellen zu haben, die „unterirdisch“ seien. Hinzu kommt bei alledem, dass Jurgen Daenens als Vorsitzender keine Richtung vorgibt. Wer sich als schwuler Mann und Vorsitzender der LSU um das Thema „Abtreibung“ kümmert, muss sich fragen lassen, warum man von ihm wenig bis gar nichts zur aktuellen Diskussion um den Berliner CSD hört, um es bei diesem einen Beispiel zu belassen! Bezeichnend in diesem Zusammenhang: Geht man auf die Homepage der LSU Berlin, dann findet sich bei „Aktuelles“ der letzte Eintrag vom 11. Juni 2014. Ergo führt der Mann nicht, und das dürfte das Schlimmste sein, das man einem Vorsitzenden vorwerfen kann. Ende Oktober tagt der Berliner LSU-Vorstand, und es dürfte eine ruppige Sitzung werden. Mit Blick darauf, dass die LSU insgesamt in den letzten Jahren an Profil gewonnen und auch in Berlin viele honorige Leute in ihren Reihen hat, sollte Jurgen Daenens die Vertrauensfrage stellen oder am besten gleich das Feld für einen anderen Vorsitzenden räumen.

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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