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CSD Berlin: Es kommt wohl zur Spaltung

Gay Flag
© Ludovic Bertron /CC-BY-SA 2.0 (via Wikimedia Commons)

Der Vorstand des Vereins „Berliner CSD e. V.“, so lautet eine massive Kritik, deeskaliert nicht. Mehr noch: Trotz erheblicher Kritik an der geplanten Umbenennung des CSD in „STONEWALL“ zementiert der „Berliner CSD e. V.“ diese neue Bezeichnung immer weiter, zum Beispiel dadurch, indem das Titelbild der Facebookseite verändert wurde. Dort prangt nun ein „STONEWALL ist (…) regenbogenbunt“. 18 Personen aus der LGBT-Community wollen jetzt die Spaltung und planen die Gründung eines neuen „Förderverein Hauptstadt CSD.“ Sechs von ihnen saßen am vergangenen Freitag auf einem Podium, um Interessierte über ihre Pläne zu informieren und zu diskutieren. 300 Einladungen sollen versandt worden sein, gekommen sind 34. Bevor es losgehen konnte, gab es Verstimmungen. Ein junger Mann beklagte sich wortreich, dass er vor der Tür warten und sich in eine Liste eintragen musste. Geschenkt. Evidenter war es, dass ein anderer junger Mann, der offenbar vom Vorstand des „Berliner CSD e. V.“ zur Beobachtung entsandt wurde, aufgefordert werden musste, Tonbandmitschnitte zu unterlassen. Fortan schrieb er kräftig mit und lieferte ab und an Verteidigungsbeiträge. Als hiernach der Podiumsvertreter Ralf Gregor Lipus verkünden musste, es seien wohl deshalb so wenige Pressevertreter anwesend, weil jemand vom „Berliner CSD e. V.“ in Telefonaten mit Redakteuren behauptet habe, das Treffen falle aus, begannen sich im Auditorium Unmut und Erstaunen abzuwechseln.

Was, wenn der Berliner CSD in diesem Jahr ausfallen muss?

Es ging bei diesem informellen Treffen im DGB-Haus an der Berliner Keithstraße gesitteter zu als beim CSD-Forum am 26. Februar in demselben Saal. Aber worum ging es eigentlich konkret? Zuerst einmal um Frustbewältigung. Der Vorstand des „Berliner CSD e. V.“ beantworte weiterhin weder die Fragen der Community noch die der Medien, so die Gründer des neuen Vereins. Frust herrsche auch darüber, dass nur 23 ordentliche Mitglieder des „Berliner CSD e. V.“ eine außerordentliche Mitgliederversammlung beantragt hatten, 28 hätten es aber sein müssen. Als ein Teilnehmer vorschlug, man könne den Vorstand bei der nächsten Wahl doch mit neuen Mehrheiten „kippen“, hörte man nur ein galliges „Das klappt sowieso nicht!“ vom Podium, dies habe die Vergangenheit gezeigt. Schwere Vorwürfe wurden einmal mehr gegen CSD-Geschäftsführer Robert Kastl erhoben, mit dem wolle niemand in Berlin, vom Regierenden Bürgermeister Wowereit über Eventverantwortliche bis hin zu federführenden Mitarbeitern in den Ämtern mehr reden. Man sehe deshalb keine andere Möglichkeit, als einen neuen Verein zu gründen, so Lipus, woraufhin sich eine alles in allem ausgesprochen sachliche Diskussion entwickelte. Etliche Teilnehmer gaben zu bedenken, dass es nicht mehr lange sei bis zum nächsten CSD. Andere betonten, es wäre „peinlich“, wenn ausgerechnet der Hauptstadt-CSD wegen interner Probleme nicht oder nur sehr abgespeckt stattfinden würde. Hieraus resultierend wurden dann Überlegungen angestellt, den CSD „unter diesem Namen“ noch mit dem in der Kritik stehenden Vorstand durchzuführen und danach personelle Änderungen vorzunehmen. Abstimmungen fanden keine statt, doch in dieser Frage schien sich das Publikum einig zu sein, zumal Kritiker anführten, dass das, was derzeit in Berlin laufe, angesichts der Homophobie in Russland, Uganda und anderswo „absolut lächerlich und peinlich“ sei.

Eine erfrischende Debatte, in der es nicht nur um Geld ging

Es gab durchaus einen Konsens darin, dass es so nicht weitergehen könne. Doch damit nicht genug. Es gab Wortmeldungen, dass endlich einmal insgesamt über Inhalte und Ziele des CSD diskutiert werden müsse. Insofern müsse man die aktuellen Probleme auch als Chance werten. „Warum wählt man in diesem Jahr nicht einfach eine CSD-Route von der ugandischen über die russische Botschaft und dann zur CDU?“ fragte einer, was den anwesenden Vertreter der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) naturgemäß wenig begeisterte. Als die Kritik kam, dass es nicht im Sinne des CSD sein könne, wenn nur Wagen mitfahren, für die deftige Summen bezahlt werden müssten, meldete sich eine junge Frau von den queeren Grünen und schlug vor, mehr Fußgruppen anzumelden „mit Leuten, die eine Trommel um den Hals haben.“ Albern? Mitnichten! Es war erfrischend, dass am vergangenen Freitag endlich einmal nicht nur über Geld, Personalia, Anmeldefristen und Auflagen diskutiert wurde, sondern über den essentiellen CSD-Auftrag. Ein erster Verdienst des in Gründung befindlichen Vereins.

Der Satzungsentwurf ist indirekt eine Abrechnung mit CSD-Geschäftsführer Kastl

Zum Essentiellen gehörte nach eineinhalbstündiger Diskussion ein Satzungsentwurf, in den Lutz Schittko kurz einführte. Schon zu Beginn stellen die anwesenden Gründungsmitglieder klar: „Dieser Verein verfolgt das Ziel der Achtung der Menschenwürde.“ Heißen soll er „Förderverein Hauptstadt CSD“ mit dem Zweck, „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke (…)“ zu verfolgen sowie „die Förderung und die Durchführung des jährlich stattfindenden Christopher Street Day auch CSD in Berlin genannt, unter Einbindung der Community“ zu gewährleisten. Weitere Kernpunkte des Satzungsentwurfs: „Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke (…).“ Und: „Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.“ Alles dies könnte man als Abrechnung mit dem bisherigen Gebaren des Vorstandes vom „Berliner CSD e. V.“ und seinem Geschäftsführer Robert Kastl werten, wozu auch diese erklärte Absicht des neuen Vereins gehört: „Die Interessen der lesbischschwulentransinter Community gegenüber dem Staat und der Gesellschaft, insbesondere der Politik, den Medien, die Forschung, der Kultur, der Wirtschaft und den Religionsgemeinschaften wahrzunehmen.“ Fast allesamt Bereiche, von denen es ein Teilnehmer des CSD-Forums Ende Februar so formulierte: „Er (Kastl – die Red.) hat mit seinem arroganten Auftreten überall verbrannte Erde hinterlassen!“ Wird der Vorstand des „Berliner CSD e. V.“ nun weiter schweigen? Das war eine der Hauptfragen nach dieser informellen Veranstaltung. Man darf gespannt sein.

Bild: © Ludovic Bertron /CC-BY-SA 2.0 (via Wikimedia Commons).

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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