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Berliner CSD 2015 : Kriegserklärung an Verein

Bis zum Berliner CSD 2015 sind es zwar noch neun Monate, doch nun eskaliert der Streit in der Berliner „Community“. Der Förderverein Hauptstadt CSD spricht gar von einem „Krieg“, der ab sofort herrsche, und das hat durchaus eine neue Qualität in einer Auseinandersetzung, die in der Hauptstadt seit Monaten tobt. Dem Berliner CSD e. V. droht jetzt gar eine Strafanzeige.

„Nichtbeachtung der Community“

Es gäbe in der Zukunft „keinerlei Möglichkeiten mehr“, mit dem Berliner CSD e. V. zusammenzuarbeiten, so Andreas Löst und Klaus Karn gegenüber queerpride.de. Beide gehören dem Vorstand des Fördervereins an und sprechen für diesen. Damit verdichtet sich die Befürchtung vieler LGBT-Menschen, dass der Zustand in diesem Jahr, wo es in Berlin drei CSDs gab, beim Berliner CSD 2015 seinen Fortgang finden wird. Grund für die neuerliche Eskalationsstufe ist eine Einladung des Vereins Berliner CSD e. V. an „alle Mitglieder und Interessierte“ für den morgigen Donnerstag um 19.30 Uhr zu einem „CSD-Stammtisch“ in das Berliner Restaurant „Elefant“ im schwulen Nolli-Kiez. Mehrere Vorstandmitglieder des Fördervereins hätten sich rechtzeitig angemeldet und seien flugs wieder ausgeladen worden. Offizielle Begründung: Platzmangel. Ob das der alleinige Grund ist, darf bezweifelt werden, denn sämtliche vierundzwanzig Ausgeladene eint laut Karn und Löst eines: Sie sind Kritiker des Vereins Berliner CSD e. V.… Rückblick: Nach einem heftigen Streit mit dem Verein, dem im Vorfeld des letzten CSD Arroganz und Nichtbeachtung der „Community“ vorgeworfen wurde, hat sich ein „Aktionsbündnis“ gebildet und einen eigenen Christopher Street Day auf die Beine gestellt. Diese Arroganz und Nichtbeachtung gehe nunmehr nicht nur weiter, sondern sie habe mit dieser Ausladung „eine neue Qualität bekommen“, so Löst weiter. Das „Kastl, Thole & Co.“ ihre „arrogante und ignorante“ Führung des Vereins einfach „munter fortsetzen und nichts dazugelernt haben“, zeige sich auch darin, dass das Thema „Aktionsbündnis und Förderverein Hauptstadt CSD“ auf der Tagesordnung der nächsten Mitgliederversammlung des Berliner CSD e. V. am 22. September ganz oben auf der Tagesordnung stehe, man es aber bisher verabsäumt habe, die Mitglieder des ehemaligen Aktionsbündnisses beziehungsweise des Fördervereins einzuladen. Offenbar, so Löst, habe man vor „über uns zu reden, aber nicht mit uns.“ Geradezu „unerträglich“ sei es weiterhin, dass Fragen des Fördervereins nach den finanziellen Verquickungen des Berliner CSD e. V. mit dem Kastl-Unternehmen Publicom ! GmbH „unverändert einfach nicht beantwortet werden“. Auch hier zur Erinnerung: Robert Kastl ist der Geschäftsführer der Publicom ! GmbH und gleichzeitig Geschäftsführer des Berliner CSD e. V. Die Publicom ! GmbH wiederum vermietet unter anderem Werbeflächen beim CSD, was die Haupteinnahmequelle des Unternehmens sein soll. Dies hat für viele in der Berliner „Community“ und darüber hinaus zumindest ein Geschmäckle.

Strafanzeige gegen den Berliner CSD e. V.

Für Klaus Karn und seine Mitstreiter ist das Schweigen des Berliner CSD e. V. zu den Finanzfragen ein klarer Hinweis darauf, dass dort etwas nicht stimme. Deshalb werde man „Strafanzeige gegen den Verein erstatten, wenn die offenen Fragen des Fördervereins nicht zeitnah, ausführlich und nachvollziehbar beantwortet werden.“ Selbst vorwerfen könne man sich bei alledem wenig, so Löst weiter. Immer wieder habe man vor und nach dem CSD intensiv versucht, den Streit mit dem Berliner CSD e. V. zu versachlichen, damit der Berliner CSD 2015 wieder gemeinsam begangen werden könne. Mehrere Male wollte man also „redlich“ dem Berliner CSD e. V. entgegen gehen, doch „die haben uns immer nur Stöckchen hingehalten, über die wir kritiklos drüber springen sollten“, so Löst. Die Auseinandersetzung mit dem Verein habe „sehr viel Kraft gekostet“, die man nun anderweitig nutzen wolle. Es müssten „in Berlin zeitnah völlig neue Strukturen geschaffen werden“, in deren Folge der Verein Berliner CSD e. V. aufgelöst wird. Konstrukte, die nachfolgen, müssten so gestaltet werden, „dass endlich wieder die Community das Sagen hat und nicht einzelne Selbstdarsteller wie Thole und Kastl“, so die einhellige Meinung im Förderverein. Dem Vorstand schwebe „ein von der Community legitimiertes Parlament, eine Stiftung oder eine Genossenschaft vor“, wo auch wieder die kleineren Organisationen in der „Community“ Gehör finden sollen. Auch wolle man ab dem nächsten CSD 2015 „örtliche Unternehmen und die Gastronomie stärker einbinden, ihnen vielleicht gar ein Mitspracherecht einräumen.“ Auf jeden Fall müsse der CSD ab dem kommenden Jahr auch für kleine LGBT-Gruppen „bezahlbar werden“, damit „endlich wieder die gesamte queere Szene sichtbar wird, alles das also, was uns ausmacht“, so Löst und Karn. Man bereite in diesem Sinne derzeit ein „wirklich demokratisches Forum“ vor, das über alles das diskutieren soll, und bereits bei der Frage, wer auf dem Podium dieses Forums sitzen wird, würden ausschließlich die Teilnehmer demokratisch entscheiden. Wer auf jeden Fall nicht auf dem Podium sitzen soll: Vorstandsmitglieder des Berliner CSD e. V. Diese würden nämlich gar nicht erst eingeladen, denn „das Tischtuch ist endgültig zerschnitten.“

Written by Holger Doetsch

Holger Doetsch ist Bankkaufmann, Redakteur und Autor verschiedener Bücher, unter anderem "Elysander" und "Ein lebendiger Tag". Im Journalismus kennt er alle Seiten des Tischs, er publiziert in mehreren Zeitungen und Onlinemedien, war Pressesprecher (u. a. in der letzten DDR-Regierung) und unterrichtet seit 1995 Journalismus, PR sowie Rhetorik an verschiedenen Hochschulen.

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